Rekord-Vakuum im CSR

Signale von gespeicherten Ionenstrahlen über Stunden messbar

In der Zeitschrift Review of Scientific Instruments ist eine umfassende und detaillierte technische Publikation über den Ultrakalten Speicherrings CSR erschienen. Darin dokumentiert das CSR-Team die herausragenden Eigenschaften und die Leistungsfähigkeit dieses neuen Großgeräts am MPIK.
[Review of Scientific Instruments, 17. Juni 2016]

Der neue ultrakalte Speicherring CSR (Cryogenic Storage Ring) – mit 35 m Umfang die weltweit größte Anlage ihrer Art – lässt sich auf eine Temperatur von ca. –267 °C, also wenige Grad über den absoluten Nullpunkt abkühlen. Die Autoren beschreiben in dem Artikel die ersten Erfahrungen im kalten Strahlbetrieb mit gespeicherten positiven und negativen Ionen verschiedener Art. Zerstörungsfreie Diagnostik (induzierte elektrische Signale in Schottky-Sonden) liefert ein umfassendes Verständnis der Ionenoptik und erlaubt mit weiteren Instrumenten die Feinabstimmung für die zukünftigen experimentellen Anforderungen. Die Ionen wurden über eine Hochspannung von 60 Kilovolt zur Injektion in den Ring beschleunigt – zukünftig sollen bis zu 300 Kilovolt verfügbar sein.

Eines der Ziele des CSR war die Erzeugung eines extrem guten Vakuums für möglichst lange Ionen-Speicherzeiten. Für negativ geladene Silber-Dimere (Ag2) wurde eine Lebensdauer von 45 Minuten erreicht, so dass sich noch nach mehreren Stunden messbare Signale nachweisen ließen. Hierzu entfernt ein Laserstrahl das überzählige Elektron der negativen Ionen und die so entstandenen Neutralteilchen werden in Geradeausrichtung mit einem Detektor gezählt. Aus Messungen bei verschiedenen Laser-Intensitäten konnten die Forscher die Detektor-Nachweiseffizienz eingrenzen. Es zeigte sich ferner, dass die Lebensdauer für leichtere Ionen geringer ist. Dies ist aber nicht auf Kollisionen mit dem äußerst verdünnten Restgas in der Vakuumkammer zurückzuführen, sondern liegt vermutlich an Diffusionsprozessen im gespeicherten Ionenstrahl.

Die Grafik zeigt die Neutralisierungsrate von Hydroxidionen (OH), aus welcher sich die Restgas-Teilchendichte im nicht mehr direkt messbaren Vakuum bestimmen lässt.  Diese Rate fällt bei abgeschaltetem Laser nicht ganz auf die Dunkelrate des Detektors ab, sondern liegt leicht darüber. Daraus ergibt sich bei bekannter Detektoreffizienz und Anzahl der gespeicherten Ionen eine Dichte von weniger als 140 Teilchen pro Kubikzentimeter, was einem äquivalenten Druck bei Raumtemperatur von unter 10–14 mbar entspricht. Zum Vergleich: Ein Kubikzentimeter Luft bei Normaldruck enthält ca. 3·1019 Teilchen. Das Vakuum ist damit mehr als einen Faktor 10 besser als die Designwerte des CSR erwarten ließen.
Derzeit wird ein Elektronenkühler für den Speicherring aufgebaut, mit welchem die Strahlqualität der gespeicherten Ionen nochmals deutlich verbessert wird. Auch sind weitere Untersuchungen zum Verhalten des Strahls bei längeren Speicherzeiten geplant.

Der Artikel dokumentiert nicht zuletzt die außerordentlichen Beiträge und Leistungen der Techniker, ohne die im Zusammenspiel mit den Wissenschaftlern am MPIK der Aufbau eines derart komplexen Großgeräts nicht möglich gewesen wäre. Die an zentraler Stelle Beteiligten werden in  der Danksagung namentlich gewürdigt.

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Originalpublikation:

The Cryogenic Storage Ring CSR
R. von Hahn et al.
Review of Scientific Instruments 87, 063115 (2016)
DOI: 10.1063/1.4953888

„Wie ein Molekül aus dem Rotieren kommt“ (MPIK-Presseinformation vom 17.03.2016)

„Tiefkalte Moleküle auf der Umlaufbahn“ (MPIK-Presseinformation vom 20.05.2015)

Abteilung „Gespeicherte und gekühlte Ionen“ am MPIK

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Kontakt:

Dr. Robert von Hahn
MPI für Kernphysik
Tel.: +49 6221 516-396
E-Mail: robert.von.hahn [AT] mpi-hd.mpg.de

Prof. Dr. Andreas Wolf
MPI für Kernphysik
Tel.: +49 6221 516-503
E-Mail: andreas.wolf [AT] mpi-hd.mpg.de

Prof. Dr. Klaus Blaum
MPI für Kernphysik
Tel.: +49 6221 516-850
E-Mail: klaus.blaum [AT] mpi-hd.mpg.de

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des MPIK

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Über einen Zeitraum von 10 Minuten gemessene Neutralisierungsrate des im CSR gespeicherten Strahls aus negativ geladenen Hydroxidionen. Bei abgeschaltetem Laser wird die geringe Neutralisierung durch Stöße mit dem Restgas sichtbar. Zum Vergleich wurde nach 570 Sekunden der Ionenstrahl ausgeblendet, so dass nur noch die Dunkelrate des Detektors übrig bleibt (Grafik: MPIK).