Materie-Antimaterie-Rätsel bleibt ungelöst

Noch immer zeigt sich kein Unterschied zwischen Protonen und Antiprotonen, der die Existenz von Materie in unserem Universum erklären könnte. Dabei ist es Physikern der BASE-Kollaboration am Forschungszentrum CERN gelungen, die magnetische Kraft von Antiprotonen mit einer fast unglaublichen Genauigkeit zu messen. Sie fanden eine große Übereinstimmung mit dem Wert für Protonen, was das Standardmodell der Teilchenphysik erneut bestätigt.

Das Universum besteht praktisch vollständig aus Materie, obwohl im Urknall Materie und Antimaterie in gleichen Mengen entstanden sein müssen. Warum haben sich Teilchen und Antiteilchen nicht komplett vernichtet? Es muss einen entscheidenden Unterschied – außer dem umgekehrten Vorzeichen der Ladung – zwischen Materie und Antimaterie geben, und sei er auch noch so winzig. Weltweit sind Wissenschaftler mit unterschiedlichen Methoden auf der Suche danach. Das Materie-Antimaterie-Ungleichgewicht im Universum gilt als eines der größten Rätsel in der Physik.

Die Forscher der internationalen BASE-Kollaboration vergleichen die fundamentalen Eigenschaften von Protonen und Antiprotonen mit höchster Präzision, in der vorliegenden Studie das magnetische Moment, welches man sich etwa wie einen Miniatur-Stabmagneten vorstellen kann. Gemessen wird der sogenannte g-Faktor, der die magnetische Feldstärke angibt. „Die Frage ist praktisch, ob das Antiproton genauso magnetisch ist wie das Proton“, erklärt der Sprecher der BASE-Gruppe, Stefan Ulmer von RIKEN in Japan. „Das ist das Rätsel, dem wir auf der Spur sind.“

Die BASE-Gruppe hatte dazu bereits im Januar dieses Jahres für das Antiproton eine hochgenaue Messung des g-Faktors veröffentlicht, die nun noch übertroffen wird. Die jetzige Hochpräzisionsmessung ergab den g-Faktor auf neun signifikante Stellen genau. Das ist in etwa so, als ob man den Erdumfang mit einer Genauigkeit von vier Zentimetern bestimmen wollte. Der Wert von 2,7928473441(42) ist 350-mal genauer als das im Januar publizierte Ergebnis. Dazu haben die Wissenschaftler erstmals zwei Antiprotonen verwendet und sie mit einem System aus zwei Penningfallen analysiert. „Auf dem Gebiet der Präzisionsphysik ist eine Genauigkeitssteigerung von einem Faktor 10 in einem Jahrzehnt schon ein Durchbruch, das hier Erreichte ist nahezu einzigartig“, so Klaus Blaum, Leiter der Abteilung „Gespeicherte und gekühlte Ionen“ am MPIK.

Antiprotonen bis zur Analyse ein Jahr lang gespeichert

Antiprotonen werden am CERN künstlich erzeugt und von den Forschern für Versuche in einer Reservoirfalle gespeichert. Die Antiprotonen für das jetzige Experiment stammten aus dem Jahr 2015 und wurden zwischen August und Dezember 2016 vermessen – auch dies eine kleine Sensation, da eine so lange Antimaterie-Speicherzeit bislang noch nicht dokumentiert ist. Normalerweise würden Antiprotonen in kürzester Zeit in Kontakt mit Materie annihilieren, beispielsweise in der Raumluft. Die Speicherung erfolgte für 405 Tage in einem Vakuum, das zehnmal weniger Teilchen enthielt als der interstellare Raum. Insgesamt wurden 16 Antiprotonen verbraucht, die teilweise auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad Celsius gekühlt waren.

Das neue Prinzip beruht auf dem Zusammenspiel von zwei Penningfallen. Solche Fallen halten die Antiprotonen durch elektrische und magnetische Felder fest. Die bisherigen Messungen waren durch eine starke magnetische Inhomogenität in der Analysefalle limitiert. Um diese Schranke zu durchbrechen, fügten die Wissenschaftler eine zweite Falle mit einem Magnetfeld hoher Homogenität hinzu. „Damit haben wir eine Methode angewandt, die Messungen mit höherer Präzision ermöglicht“, erklärt Ulmer. „Diese Messung mit Antiprotonen zum Laufen zu bringen ist extrem schwierig, und wir haben seit zehn Jahren daran gearbeitet. Der schlussendliche Durchbruch ist uns durch die bahnbrechende Idee, die Messung mit zwei Teilchen durchzuführen, gelungen.“ Messgrößen sind zwei Frequenzen, aus denen sich der g-Faktor ergibt.

Der so ermittelte g-Faktor für das Antiproton wird mit dem g-Faktor des Protons verglichen, den die BASE-Forscher 2014 mit der bislang höchsten Genauigkeit ermittelt haben – ohne dass ein Unterschied zwischen den beiden zu finden ist. Diese Übereinstimmung stellt eine Bestätigung der sogenannten CPT-Symmetrie dar, wonach im Universum eine fundamentale Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen besteht. „In all unseren Beobachtungen verhalten sich Materie und Antimaterie komplett symmetrisch, weshalb es das Universum so gar nicht geben dürfte“, so Christian Smorra, Erstautor der Studie. „Ganz offensichtlich besteht aber eine Asymmetrie, wir verstehen nur den Unterschied nicht. Woher kommt diese Symmetriebrechung?“

Die Motivation der BASE-Wissenschaftler ist es nun, durch noch genauere Messungen der Eigenschaften sowohl des Protons als auch des Antiprotons eine Antwort auf diese Frage zu finden. Dazu wollen sie in den nächsten Jahren weitere innovative Methoden entwickeln und das jetzige Ergebnis noch toppen.

 

Die BASE-Kollaboration am europäischen Forschungszentrum CERN besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des japanischen Forschungszentrums RIKEN, des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Universität Tokio, des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt, der Universität Hannover und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.

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Originalpublikation:

Parts-per-Billion Measurement of the Antiproton Magnetic Moment, C. Smorra et al., Nature 550, 371-374 (2017) doi:10.1038/nature24048

Abteilung Blaum am MPIK

Ulmer Fundamental Symmetries Laboratory, RIKEN

Magnetische Kraft von einzelnen Antiprotonen mit höchster Genauigkeit bestimmt (Meldung vom 18.01.2017)

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Kontakt:

Prof. Dr. Klaus Blaum
Tel.: +49 6221 516850
E-Mail: klaus.blaum@mpi-hd-mpg.de

Dr. Stefan Ulmer
Tel.: +41 75 411 9072
E-Mail: stefan.ulmer@cern.ch

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BASE-Penningfallensystem zur Messung des magnetischen Moments des Antiprotons. Foto: Stefan Sellner, Fundamental Symmetries Laboratory, RIKEN, Japan