In der Falle: Neue Kühlmethode für geladene Teilchen

Erstmals ist es gelungen, eine neue Methode zur Kühlung von Protonen mithilfe lasergekühlter Ionen – in diesem Fall Beryllium-Ionen – erfolgreich umzusetzen. Das Besondere: In dem neuen Aufbau befinden sich die beiden Teilchensorten in räumlich getrennten Fallen. Ein elektrischer Schwingkreis überträgt die Kühlleistung über eine Distanz von neun Zentimetern von der einen in die andere Falle. So lässt sich das Proton in einer der Fallen deutlich stärker kühlen als ohne Beryllium, wie eine Arbeitsgruppe am Exzellenzcluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) im Rahmen der BASE-Kollaboration zeigen konnte. Die neue Methode kann man auf alle geladenen Teilchen anwenden, insbesondere auch auf Antiprotonen, für die es bisher noch keine andere Kühlmethode in diesen Temperaturbereich gibt. Maßgeblich an der Entwicklung beteiligt waren auch das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg (MPIK) und das japanische Forschungszentrum RIKEN, darüber hinaus die Europäische Organisation für Kernforschung CERN, das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt sowie die Leibniz Universität Hannover.

Präzise Messungen an einzelnen Ionen setzen voraus, dass diese möglichst bewegungsarm in einer Falle eingeschlossen und gespeichert sind. Dazu muss man den geladenen Teilchen Energie entziehen, wodurch sich ihre Temperatur vermindert. Mit dem neuen Zweifallen-Aufbau konnte das Forschungsteam die Temperatur im Vergleich zur bisher besten Kühlmethode für Protonen um etwa einen Faktor 10 absenken und so eine Temperatur nahe am absoluten Nullpunkt erreichen. „Je geringer die Temperatur des Teilchens, desto genauer lässt sich der Bereich eingrenzen, in dem sich das Teilchen in der Falle befindet. Je genauer das Teilchen lokalisiert werden kann, desto besser sind die Startbedingungen definiert und desto genauer fällt anschließend die Messung aus“, erklärt Christian Smorra, Physiker am Exzellenzcluster PRISMA+.

Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen

Die neue Zweifallen-Kühlmethode bietet einige Vorteile: Zum einen funktioniert sie auch mit Antimaterie-Teilchen, denn in einem Einfallen-Kühlsystem würden sich Materie und Antimaterie sofort gegenseitig vernichten. So ist ein präziser Vergleich von Protonen und Antiprotonen möglich. „Wir wollen gezielt nach einem Unterschied zwischen den Eigenschaften von Protonen und Antiprotonen suchen. Unsere Theorie sagt, dass sich die beiden Teilchen bis auf die umgekehrte Ladung identisch verhalten. Warum aber unser Universum so viele Protonen – und damit Materie –, aber fast keine Antiprotonen, also Antimaterie, enthält, ist immer noch ungeklärt“, erläutert Matthew Bohman vom MPIK, Erstautor der Studie.

Ein weiterer Vorteil: Während früher angewandte Methoden Abstände von 0,1 Millimetern oder weniger zwischen den zu kühlenden Teilchen und den Beryllium-Ionen erforderten, ist es in der aktuellen Arbeit gelungen, die Kühlleistung über einen Abstand von neun Zentimetern zu übertragen. Das schafft die Voraussetzung für weiterführende Forschungsvorhaben – und erlaubt störungsfreie und präzisere Messungen, wie sie die BASE-Kollaboration auch bei der Suche nach Dunkler Materie mithilfe von Antimaterie vornehmen möchte. Hierzu hatte die Forschungsgruppe in früheren Experimenten am CERN bereits gefangene Antiprotonen in einer Falle untersucht – allerdings durch Kühlung mit flüssigem Helium und ohne die Hilfe von Beryllium-Ionen.

„Praktisch realisierbare Weiterentwicklung“

Erstmals vorgeschlagen wurde die Zweifallenmethode im Jahr 1990. Im damaligen Konzept war kein elektrischer Schwingkreis vorgesehen – hier sollten die Ionen durch eine gemeinsame Fallenelektrode verbunden werden. Von Vorteil bei dieser Vorgehensweise: Es gibt keinen Widerstand, wie er durch einen Schwingkreis entsteht. Denn dieser produziert Hitze und schwächt den Kühlvorgang ab. Der große Nachteil besteht aber in der geringen Geschwindigkeit, mit der die Energie der Ionen ausgetauscht wird. Dadurch fällt die Temperatur des geladenen Teilchens nicht schnell genug ab. „Die jetzige Umsetzung stellt eine praktisch realisierbare Weiterentwicklung des Konzepts von 1990 dar. Anstatt innerhalb von zwei Minuten findet der Energieaustausch zwischen den Fallen hier innerhalb von einer Sekunde statt“, betont Christian Smorra.


Originalpublikation:

Sympathetic cooling of a trapped proton mediated by an LC circuit, M. Bohman V. Grunhofer, C. Smorra, M. Wiesinger, C. Will, M. J. Borchert, J. A. Devlin, S. Erlewein, M. Fleck, S. Gavranovic, J. Harrington, B. Latacz, A. Mooser, D. Popper, E. Wursten, K. Blaum, Y. Matsuda, C. Ospelkaus, W. Quint, J. Walz, and S. Ulmer, Nature 596, 514 (2021), DOI: 10.1038/s41586-021-03784-w


Abteilung Blaum am MPIK

BASE: Baryon Antibaryon Symmetry Experiment am CERN

Institut für Physik der JGU


Kontakt

Dr. Stefan Ulmer (RIKEN/CERN)
Tel.: +41 75411-9072
E-Mail: stefan.ulmer@cern.ch

Prof. Dr. Klaus Blaum (MPIK)
Tel.: +49 6221 516-859
E-Mail: klaus.blaum@mpi-hd.mpg.de

Dr. Christian Smorra (JGU)
Tel.: +496131 39-25953
E-Mail: chsmorra@uni-mainz.de


Chrstian Smorra und Mathew Bohmann beim Einbau des Fallensystems in die Apparatur. (Foto: Stefan F. Sämmer, JGU)