Materie in starken Laserfeldern – an den Grenzen des Machbaren
Die Erforschung der Wechselwirkung von Materie mit Laserpulsen oder Röntgenstrahlen ist so weit fortgeschritten, dass grundlegende Aspekte wie die Quantennatur von Licht und Materie, Relativität und Kopplungen unter den beteiligten Teilchen in den Fokus rücken und zugleich eine Herausforderung darstellen. Theoretische Untersuchungen helfen, die Effekte extrem starker Felder zu verstehen, auch wenn diese experimentell erst in der nahen Zukunft zugänglich sein werden. Dies erfordert die Suche nach Mehrteilchen-Lösungen der zeitabhängigen Schrödinger- und Dirac-Gleichungen. Außerdem werden Quantenelektrodynamik, Kerneffekte und Paarerzeugung betrachtet.
Ein typisches Thema ist das vollständig relativistische Verständnis der Quantenprozesse bei der TunnelIonisation eines Atoms in ultrastarken Feldern. Ein einfaches Modell geht davon aus, dass das Elektron instantan durch die vom Laser erzeugte Quantenbarriere tunnelt und mit verschwindendem Impuls herauskommt. Folglich würde der gesamte Impuls der absorbierten Photonen auf das Ion übertragen. Mittlerweile haben quanten-relativistische Rechnungen aber gezeigt, dass dieses Modell zu simpel ist, und sich der Impuls auf das Elektron und das Ion verteilt.
Die Frage, wie lange ein Elektron zum Tunneln braucht, wird kontrovers diskutiert: Braucht es Zeit oder nicht? Theoretische Überlegungen auf Basis eines Konzepts von Nobelpreisträger Eugene Wigner von 1955 sagen eine endliche Tunnelzeit voraus. Kürzlich gelang es in einer theoretisch-experimentellen Arbeit am MPIK, mit einem verfeinerten Modell die Wigner-Zeit in eine messbare Größe zu übersetzen. Eine genaue Analyse der von ultrakurzen zirkular polarisierten Laserpulsen aus Edelgasen freigesetzten Elektronen lieferte Hinweise auf eine Tunnelzeit von bis zu 180 Attosekunden (1 as = 10–18 s).
Extreme Licht-Materie-Wechselwirkung – Kernübergänge präzise kontrollieren und messen
Ein neues Gebiet ist die Quantenoptik mit Röntgenlicht. Von besonderem Interesse sind dabei bestimmte Atomkerne, die nur mit Röntgenlicht extrem scharf definierter Energie wechselwirken, beruhend auf den von Rudolf Mößbauer am Vorgängerinstitut des MPIK 1958 entdeckten Prinzipien (Nobelpreis 1961). Spektroskopie derart präziser Kernübergänge bildet die Grundlage zahlreicher Anwendungen in den Naturwissenschaften. Für zukünftige Anwendungen ist es erforderlich, kohärente Quantenkontrolle dieser Kerne zu erreichen, bleibt aber eine große Herausforderung, weil es an intensiven Röntgenlichtquellen mit schmaler Energieverteilung mangelt.
Eine theoretisch-experimentelle Studie hat kürzlich gezeigt, dass die makroskopische Bewegung einer Probe Photonen innerhalb des Röntgenpulses so verschieben kann, dass sich diese im gewünschten Bereich konzentrieren. Eine nachfolgende Arbeit nutzte derart verbesserte Röntgenpulse, um die Quantendynamik von Materie kohärent zu kontrollieren. Eine parallel dazu entwickelte Theorie für die erste Anwendung der Bewegungskontrolle erlaubt es, Korrelationen zwischen verschiedenen Beobachtungsgrößen eines quantenmechanischen Systems ohne die normalerweise unvermeidbare störende Rückwirkung der Messung auf die Dynamik des Systems zu messen.
Extrem schmale Kernübergänge sind auch für genaue Messungen interessant. Ein herausragendes Beispiel ist die auf 229Th basierende Kernuhr, mit der die Genauigkeit der besten heute verfügbaren Atomuhren übertroffen werden könnte. Kürzlich konnte ein Team an der LMU München eine bisher unsichere Übergangsenergie mit höherer Präzision messen. Simulationsrechnungen am MPIK waren die Voraussetzung dafür, diese Energie aus den experimentellen Daten ableiten zu können. Nun können geeignete Laser konstruiert werden, was Grundlagenforschung auf Basis extrem präziser Zeitmessungen ermöglichen wird.
Starkfeld-Quantenelektrodynamik – das Vakuum modifizieren
Die Quantenelektrodynamik (QED) beschreibt Elektromagnetismus als Austausch sogenannter virtueller Photonen zwischen geladenen Teilchen. Aus dieser Theorie folgt, dass es keinen leeren Raum gibt, das Vakuum also von virtuellen Teilchen erfüllt ist. Bedingt durch die Quantenunschärfe existieren sie zwar jeweils nur für sehr kurze Zeitspannen, aber ihre mittlere Anzahl macht sich bemerkbar und ist mit Präzisionsexperimenten nachweisbar.
Von besonderem Interesse ist die QED in extrem starken Feldern. Durch ihre Wirkung auf die geladenen virtuellen Teilchen polarisieren diese Felder das Vakuum und ändern so dessen optische Eigenschaften. Die Theorie behandelt fundamentale Fragen der Paarerzeugung, der Spindynamik und der radiativen Reaktion, bei der ein in einem elektromagnetischen Feld beschleunigtes geladenes Teilchen elektromagnetische Strahlung emittiert, die dann auf die Teilchenbewegung zurückwirkt. Die zugrunde liegenden Fragen können mit intensiven Laserfeldern untersucht werden. Quanteneffekte der radiativen Reaktion von Elektronen sollten mit heutigen Lasersystemen zugänglich sein. Dies hat auch für Vielteilchensysteme wie relativistische Plasmen Bedeutung.
Sehr starke elektrische Felder herrschen auch in der Nähe der Kerne schwerer Elemente. Hochpräzisions-QED-Rechnungen der inneren Struktur von Materie, speziell hochgeladenen Ionen, sind für unser Institut von besonderer Bedeutung. Wichtige Beiträge liefert das Zusammenspiel von Theorie und Experiment zur Ermittlung fundamentaler Eigenschaften wie das magnetische Moment des Elektrons. Vergleiche mit Präzisionsmessungen ermöglichen einerseits, QED-Vorhersagen zu überprüfen, andererseits hilft die Theorie Naturkonstanten wie die Elektronenmasse zu bestimmen: ihr Wert wurde so um eine Größenordnung genauer.
Laser-Astrophysik – kosmische Beschleuniger im Labormaßstab
Hochintensive Laserpulse erlauben die Beschleunigung von Teilchen bis in die Größenordnung von Gigaelektronvolt (1 GeV = 109 eV). In Zusammenarbeit mit externen experimentellen Gruppen haben Theoretiker des MPIK Modelle entwickelt für die Produktion von ultrarelativistischen Lepton-Strahlen aus gleichen Anteilen von Elektronen und Positronen durch Umwandlung von Bremsstrahlungsphotonen in Elektron-Positron-Paare. Außerdem demonstrieren jüngste Simulationen Verfahren, polarisierte intensive Lepton- und GeV-Gammastrahlen zu erzeugen. Sie basieren auf der Spin-abhängigen Emission hochenergetischer Photonen in der Kollision polarisierter intensiver Laserstrahlen mit unpolarisierten Elektronenstrahlen, wobei Elektronen und Positronen mit Spin parallel bzw. antiparallel zum Magnetfeld des Lasers entstehen.
Die Erforschung solcher hochenergetischen Prozesse im Labormaßstab ist von erheblicher Bedeutung für die Astrophysik: Beispielsweise entstehen kosmische Gammastrahlenausbrüche in den entlang der Rotationsachse extrem gebündelten ultrarelativistischen leptonischen Jets von bestimmten Typen kollabierender Sterne.