Neuer Ansatz bei der Suche nach Dunkler Materie

Mithilfe von Antimaterie wollen Forscher der Dunklen Materie auf die Spur kommen

Einen völlig neuen Ansatz bei der Suche nach Dunkler Materie haben Wissenschaftler der BASE-Kollaboration am europäischen Forschungszentrum CERN verfolgt: Erstmals haben sie explizit den Einfluss von Dunkler Materie auf Antimaterie statt auf gewöhnliche Materie untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind in der jüngsten Ausgabe von Nature veröffentlicht.

Bisherige Präzisionsexperimente bei niedrigen Energien verwendeten stets Materie-basierte Proben, um an ihnen eine Kopplung von Dunkler Materie nachzuweisen. Das jetzige Experiment sucht zum ersten Mal explizit nach einer Wechselwirkung zwischen Dunkler Materie und Antimaterie. Die meisten Studien gehen von einer symmetrischen Wechselwirkung der Dunklen Materie mit Teilchen und Antiteilchen aus; dies überprüft die neue Studie.

Dieser Ansatz hat doppelten Charme: Über die mikroskopischen Eigenschaften der Dunklen Materie ist bisher nur sehr wenig bekannt – einer der viel diskutierten Kandidaten sind sogenannte ALPs (Axion-Like Particles). Darüber hinaus liefert das Standardmodell der Teilchenphysik keine Erklärung, warum es im Universum so viel mehr Materie als Antimaterie gibt. Die Experimente könnten einen Hinweis liefern, der die beiden Fragestellungen verbindet.

Gefangene Antiprotonen sollen Hinweise auf Dunkle Materie liefern

Das Untersuchungsobjekt der Wissenschaftler ist ein einzelnes Antiproton, gefangen im Fallensystem der BASE Kollaboration. Dieses Teilchen lieferte der Antiproton Decelerator (AD) am CERN, die weltweit einzige Forschungsanlage, die Antiprotonen mit niedriger Energie zur Verfügung stellen kann. Das Antiproton besitzt nicht nur eine Ladung, sondern auch einen Spin. In einem Magnetfeld präzediert dieser Spin wie ein winziger Kreisel mit einer ganz bestimmten, konstanten Frequenz – der Larmorfrequenz. Die Anwesenheit von Dunkler Materie könnte diese Frequenz hypothetisch verändern. Betrachtet man die potentiellen Teilchen der Dunklen Materie als klassisches Feld mit einer bestimmten Wellenlänge, dann oszillieren die Dunkle-Materie-Wellen kontinuierlich durch das Experiment und verändern dort – im Falle einer unerwartet starken Kopplung zwischen Dunkler Materie und Antimaterie – periodisch die eigentlich konstante Larmorfrequenz des Antiproton-Spins im Magnetfeld.

Mit ihrem experimentellen Aufbau haben die Forscher einen bestimmten Frequenzbereich abgesucht – und bisher keine Hinweise auf Dunkle Materie gefunden. „Mit unserem aktuellen Messaufbau haben wir zwar keine signifikante und periodische Änderung der Larmorfrequenz des Antiprotons gefunden“, erläutert Stefan Ulmer, Sprecher der BASE Kollaboration am CERN. „Gleichwohl haben wir die Empfindlichkeit im Vergleich zu astrophysikalischen Beobachtungen um bis zu fünf Größenordnungen übertroffen.“ Christian Smorra, Erstautor der Studie erkärt: „Das bedeutet, wir haben basierend auf der jetzigen Empfindlichkeit unseres Experiments eine neue obere Grenze für die Stärke einer potentiellen Wechselwirkung zwischen Dunkler Materie und Antimaterie definiert.“

Künftig wollen die Wissenschaftler die Genauigkeit bei der Messung der Larmorfrequenz des Antiprotons weiter verbessern – dies wäre dann auch die Voraussetzung dafür, die Antimaterie-basierte Suche nach Dunkler Materie noch empfindlicher zu machen. Es wäre darüber hinaus interessant, ähnliche Studien mit anderen Antiteilchen durchzuführen, zum Beispiel mit Positronen oder Antimyonen.

 

Beteiligt an der Studie sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des japanischen Forschungszentrums RIKEN, des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg (MPIK) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) Braunschweig, die wiederum im Max Planck-RIKEN-PTB Center for Time, Constants and Fundamental Symmetries zusammenarbeiten, sowie des CERN, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM), der Universität Tokyo, der GSI Darmstadt und der Leibniz Universität Hannover.


Originalpublikation:

Direct limits on the interaction of antiprotons with axion-like dark matter
C. Smorra, Y. V. Stadnik, P. E. Blessing, M. Bohman, M. J. Borchert, J. A. Devlin, S. Erlewein, J. A. Harrington, T. Higuchi, A. Mooser, G. Schneider, M. Wiesinger, E. Wursten, K. Blaum, Y. Matsuda, C. Ospelkaus, W. Quint, J. Walz, Y. Yamazaki, D. Budker& S. Ulmer.
Nature, 13.11.2019, DOI: 10.1038/s41586-019-1727-9


BASE: Baryon Antibaryon Symmetry Experiment am CERN


Kontakt

Prof. Dr. Klaus Blaum (MPIK)
Tel.: +49 6221 516-859
E-Mail: klaus.blaum(at)mpi-hd.mpg.de

Dr. Stefan Ulmer (RIKEN)
Tel.: +41 75411-9072
E-Mail: stefan.ulmer(at)cern.ch


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Penningfallensystem der BASE-Kollaboration. © Stefan Sellner, Fundamental Symmetries Laboratory, RIKEN, Japan