Der Ursprung von Masse – Physik jenseits des Standardmodells
Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschreibt erfolgreich das Verhalten aller bekannten Elementarteilchen (und ihrer Antiteilchen): je 6 Quarks und Leptonen, außerdem Eichbosonen, die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen vermitteln, und das Higgs-Boson. Dessen Entdeckung 2012 warf eine Reihe fundamentaler Fragen auf, mit denen sich Theoretiker am MPIK beschäftigen.
Sowohl Dunkle Materie und der Beweis endlicher Neutrinomassen als auch theoretische Unzulänglichkeiten verlangen eine Erweiterung des Standardmodells, das nur bis zu einer bestimmten Energie gültig zu sein scheint, ab der „neue Physik“ ins Spiel kommt. Im Kontext derzeitiger und zukünftiger Experimente der Teilchenphysik sowie der Kosmologie studieren Theoretiker des MPIK Supersymmetrie und die Große Vereinheitlichte Theorie als erfolgversprechende Erweiterungen des Standardmodells.
Grundlegende theoretische und phänomenologische Studien dienen der Erforschung des Ursprungs von Neutrinomassen und -mischungen. Dass Neutrinos so leicht sind, erklärt der „Seesaw“-Mechanismus anhand neuer schwerer Teilchen, die in der Tat von vielen Theorien jenseits des Standardmodells vorhergesagt werden. Möglicherweise haben Neutrinomasse und Dunkle Materie denselben Ursprung. Gesamtziel der theoretischen Arbeiten ist ein tieferes Verständnis der fundamentalen Naturgesetze.
Materie und Antimaterie – Suche nach dem entscheidenden Unterschied
Es gibt keine Hinweise, dass irgendwo im sichtbaren Universum nennenswerte Mengen Antimaterie existieren. Weil im Urknall gleich viele Teilchen und Antiteilchen entstanden sein müssen, muss es einen grundlegenden Unterschied zwischen ihnen geben. Sonst hätten sie sich komplett vernichtet, und das Universum bestünde aus reiner Strahlung.
Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik kann den beobachteten Materieüberschuss im Universum nicht erklären. Diese Symmetrieverletzung muss im frühen Universum passiert sein. Ein Szenario, in dem Neutrinos die entscheidende Rolle spielen, ist die sogenannte Leptogenese, die Theoretiker am MPIK untersuchen. Die Asymmetrie bei leichten Teilchen führt dann zur beobachteten Asymmetrie bei schweren Teilchen.
Das LHCb-Experiment am Large Hadron Collider (LHC) des CERN sucht nach Materie/Antimaterie-Unterschieden. Bei Proton-Proton-Kollisionen entstehen – neben vielen anderen Teilchen – sogenannte B-Mesonen, schwere Teilchen, die aus je einem leichten Quark und schweren Antiquark bestehen; bei ihren Antiteilchen ist es umgekehrt. Messungen ihrer Zerfälle, die zu gleichen Anteilen von Materie und Antimaterie führen, zeigten, dass hierbei die Antimaterie schneller verschwindet – allerdings im Rahmen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik.
Messungen sowohl der Massen als auch der magnetischen Momente von Antiproton und Proton in Penningfallen ergaben bisher trotz höchster Präzision keinerlei Unterschiede. Fortschritte in der Messtechnik könnten das Rätsel aber doch noch lösen.