Sind Elektron und Positron tatsächlich exakte Zwillinge ?
LSym ist ein Ionenfallenexperiment, in dem Materie und Antimaterie, konkret Elektronen und Positronen, gleichzeitig in einer kryogenen Penningfalle gespeichert und in den Grundzustand der Bewegung gekühlt werden. Ein von uns entwickeltes, neuartiges Konzept erlaubt uns dann erstmals direkt und kohärent die Spinbewegung von Materie und Antimaterie zu messen. So können wir Ladung, Masse und den gyromagnetischen Faktor (g-Faktor) der Teilchen und damit die Symmetrie von Materie und Antimaterie auf bisher unerreichte Genauigkeit vergleichen. Wenn dies gelingt würde es den empfindlichsten Test der CPT (charge-parity-time) Symmetrie des Standardmodells für Leptonen darstellen.
Dazu bauen wir aktuell im Rahmen des ERC Advanced Grants „LSym“ eine neue Gruppe am Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg auf, die dieses ehrgeizige Ziel in den nächsten Jahren umsetzen wird.
Das LSym Experiment ist ein kryogener Penningfallenaufbau. Ein supraleitender Magnet stellt ein konstantes und homogenes Magnetfeld von etwa 5 Tesla zur Verfügung. In diesem Magnetfeld befindet sich eine Reihe von zylindrischen Fallenelektroden. Von diesen wird entlang der Fallenachse („z-Achse“) wird mittels Gleichspannungen ein elektrostatisches, harmonisches Potential erzeugt, welches Ionen (der richtigen Polarität) speichern kann. In der dazu senkrechten („radialen“) Ebene führt dasselbe Potential zwar zu einer abstoßenden Kraft, aber die stärkere Lorentzkraft des Magnetfeldes führt dennoch zu einem dauerhaften Einschluss der Teilchen. (siehe Bild)
Die Falle befindet sich in einer hermetisch geschlossenen Fallen(vakuum)kammer. Bei kryogenen Temperaturen kann man dort ein Vakuum besser als 10-17 mbar erzeugen. In derart gutem Vakuum treffen die gespeicherten Teilchen quasi nie auf Restgasatome. Das erlaubt es uns für lange Zeit, über Monate hinweg, Antimaterie in der Falle zu speichern ohne dass diese annihiliert.
In einer Penningfalle kann man den Spinzustand eines einzelnen Positrons (oder Elektrons) eindeutig und zerstörungsfrei detektieren. Dazu nutzen wir die „Fallenversion“ des bekannten Stern-Gerlach Effektes: wir erzeugen in der Falle eine (quadratische) magnetische Inhomogenität, die sogenannte magnetische Flasche. Darin erfährt das Positron eine zusätzliche Kraft, die von der Ausrichtung des Spins im Magnetfeld abhängig ist. Daher haben Teilchen mit Spin „up“ eine geringfügig andere Axialfrequenz als solche mit Spin „down“ Ausrichtung. Indem wir die Axialfrequenz präzise messen, können wir so den Spinzustand jederzeit auslesen.
Mit LSym wollen wir das Ladungs und Massenverhältnis sowie den g-Faktor des Elektrons und des Positrons extrem präzise vergleichen. Dazu messen wir die Frequenz, mit welcher der Spin um das Magnetfeld präzediert, die Larmorfrequenz wL=g2emB. Um sensitiv auf kleinste Unterschiede zwischen Positron und Elektron zu sehen, speichern wir erstmals beide Teilchen gleichzeitig in derselben Falle. So können wir direkt den (hypothetischen, kleinen) Unterschied der Frequenzen messen, statt beide Frequenzen getrennt zu messen und daraus den Unterschied zu bestimmen. Allerdings können Positron und Elektron nicht ohne weiteres in der gleichen Penningfalle gespeichert werden, da sie gegensätzlich geladen sind. Stattdessen speichern wir ein einzelnes Positron und ein 4He+-Ion, welches ein (schwach) gebundenes Elektron enthält. Den kleinen Effekt des 4He-Kerns auf die Larmorfrequenz des gebundenen Elektrons kann durch die Quantenelektrodynamik sehr genau berechnet werden.
In dem starken Magnetfeld kühlen die Positronen mittels Zyklotronstrahlung selbst bis auf die Temperatur der Schwarzkörperstrahlung. Um auf diese Weise in den quantenmechanischen Grundzustand der Bewegung zu kommen, muss die Falle bis auf unter 500 Millikelvin abgekühlt werden (dann ist die thermische Energie (kB*0.5K) kleiner als die eines Zyklotronquantums (h*140GHz)). Diese Temperatur kann man erreichen, indem man über einem Bad aus flüssigem 3He den Dampfdruck durch Pumpen reduziert (4He hat unter etwa 1K zu wenig Dampfdruck um ausreichend Kühlwirkung zu entfalten). Da das relativ seltene 3He Isotop außerordentlich teuer ist, nutzen wir dafür einen hermetisch geschlossenen Kreislauf in dem das 3He wieder verflüssigt wird und nicht verloren geht.
Nachdem die Zyklotronbewegung in den Grundzustand gekühlt ist, muss auch die Axialbewegung gekühlt werden. Dazu werden wir speziell für LSym eine neuartige, durch die Falle als Mikrowellenresonator unterstützte Seitenband-Kopplungsmethode entwickeln und so zum ersten Mal Antimaterie in den Grundzustand der Bewegung bringen.