Extreme Reinheit für die Jagd nach Dunkler Materie

XENON1T, der weltweit sensitivste Detektor zum direkten Nachweis von Dunkler Materie, hat enorme Reinheitsanforderungen, und schon allerkleinste Mengen des radioaktiven Edelgases Radon stellen eine Hauptstörquelle dar. Am MPIK wurden dazu einmalige Messverfahren entwickelt, die für die erzielte Reinheit essentiell sind.

In Deutschland sterben jedes Jahr fast 2000 Menschen an Lungenkrebs, der durch Radon verursacht wurde. Das farb- und geruchlose radioaktive Edelgas entsteht vor allem im Erdreich durch den radioaktiven Zerfall von Uran und Thorium, die dort in kleinsten Spuren vorkommen. Von dort diffundiert es in die Wohnräume, wo wir es einatmen und wo es unsere Lungenzellen schädigen kann. Obwohl die Konzentrationen sehr klein sind, stellt Radon damit ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar, welches durch geeignete Maßnahmen reduziert werden muss.

Noch gefährlicher ist Radon für den XENON1T-Detektor, das derzeit empfindlichste Instrument zur direkten Suche nach Dunkler Materie, an dem das MPIK maßgeblich beteiligt ist. Radon kann in den Detektor hinein diffundieren, und seine radioaktiven Zerfälle sind nicht von den schwachen Spuren zu unterscheiden, die Dunkle-Materie-Teilchen in dem Detektor hinterlassen würden. Daher gilt beim Hausbau und noch viel mehr beim Bau eines Dunkle-Materie-Experiments: Radon muss bestmöglich vermieden werden!

Um den weltbesten Dunkle-Materie-Detektor zu bauen, reicht eine perfekte Abdichtung aber längst nicht aus, denn die erlaubte Radon-Konzentrationen in XENON1T ist etwa 1 Million mal geringer als die in typischer Umgebungsluft. Bei so enormen Reinheitsanforderungen ist zu beachten, dass auch die Konstruktionsmaterialien des Detektors selbst Radon in allerkleinsten Mengen abgeben. Diese so genannte Radon-Emanation der Detektormaterialien ist sogar dominant. Sie lässt sich nur bekämpfen, indem man die Materialien vor der Benutzung prüft und sorgfältig selektiert. Dazu wiederum sind extrem empfindliche Radon-Messverfahren nötig.

Das MPIK ist führend bei der Entwicklung solcher Verfahren, die es erlauben, einige wenige Radonatome zweifelsfrei nachzuweisen. Dazu werden elektrostatische Radon-Monitore sowie miniaturisierte hochreine Proportionalzählrohre aus Quarz verwendet, die in unserer Glasbläserei in Handarbeit hergestellt werden und sensitivste Messungen ermöglichen. Von besonderer Bedeutung ist hier auch die einmalige am MPIK entwickelte automatisierte Emanationsanlage (Auto-Ema), die es erlaubt, viele Proben parallel vollautomatisiert zu prozessieren. Erst damit ist der hohe Durchsatz an Proben mit höchster Messempfindlichkeit möglich, der für einen Detektor wie XENON1T erforderlich ist.

Kürzlich hat die XENON-Kollaboration die Details zu den Radon-Emanationsmessungen veröffentlicht. Neben den Ergebnissen zu allen Einzelproben wird dort auch gezeigt, wie die verbleibenden Radonquellen im Detektor verteilt sind und wie man durch gezielten Austausch von schmutzigen Komponenten in Kombination mit permanenter Xenon-Reinigung die Radon-Konzentration weiter reduzieren kann. Am Ende wurde ein Rekordwert von nur 4,5 Mikro-Becquerel pro Kilogramm Xenon erreicht. Das ist die niedrigste je erreichte Radon-Konzentration in einem Dunkle Materie-Experiment mit Xenon.

Die Methoden zum Radon-Nachweis und zur Radon-Vermeidung werden am MPIK permanent weiter verbessert, so dass das gerade angelaufene Nachfolge-Experiment XENONnT eine noch höhere Radon-Reinheit erreichen wird. Denn größere Experimente können nur dann sensitiver für die Dunkle-Materie-Suche sein, wenn die Störstrahlung weiter reduziert wird. Mit unserer Expertise am MPIK sorgen wir dafür, dass das auch in Zukunft so sein wird.


Originalpublikation:

222Rn emanation measurements for the XENON1T experiment, XENON Collaboration, Eur. Phys. J. C 81, 337 (2021), DOI: 10.1140/epjc/s10052-020-08777-z


Low-Level Techniken (Abteilung Lindner am MPIK)


Kontakt

Dr. Hardy Simgen
Tel.: +49 6221 516-530
E-Mail: H.Simgen@mpi-hd.mpg.de


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Ein miniaturisiertes Proportionalzählrohr aus Quarz für hochempfindliche Radon-Emanationsmessungen.