Die Instabilität von Stromfäden (current filamentation instability, CFI), ist ein Phänomen, bei dem ein Plasmastrahl in mehrere Stromfäden zerfällt. Es tritt in Gegenströmungen oder einem Elektronenstrahl auf, der sich in einem Hintergrundplasma ausbreitet. CFI entsteht aufgrund von Ungleichförmigkeiten im transversalen Stromprofil, die zur Erzeugung transversaler Magnetfelder führen. Die daraus resultierende Lorentzkraft verstärkt die Ungleichförmigkeit des Stroms und führt zur Instabilität.
CFI ist für die Steuerung verschiedener Plasmaphänomene wichtig, welche einen großen Bereich von räumlichen und zeitlichen Skalen abdecken. Auf mikroskopischer Ebene modifiziert CFI die Energiedeposition bei Kernfusion mit Trägheitseinschluss und begrenzt die Effizienz plasmabasierter Beschleuniger. In der Astrophysik kann CFI Schockfronten von Supernova-Überresten beeinflussen und das Nachleuchten nach Gammastrahlenausbrüchen verändern.
Die konventionelle Diagnose von Plasmainstabilitäten erfordert eine externe Sondierung, z. B. durch geladene Teilchen oder einen Lichtstrahl. Dies ist jedoch für astrophysikalische Plasmen gar nicht anwendbar und für ultrarelativistische Plasmaszenarien im Labor mit beispiellos hohen Feldstärken, ultrakurzer Zeitskala und überkritischer Dichte eine Herausforderung. Einen neuen Informationskanal bietet der Spin (Eigendrehimpuls), eine intrinsische Eigenschaft von Teilchen. Es stellt sich die Frage, ob es möglich ist, das Spin-Signal spontan aus dem Plasma ausgestoßener Teilchen zu nutzen, um Informationen über vorübergehende Plasmainstabilitäten zu gewinnen.
In einer neuen Studie [1] haben Zheng Gong und Karen Hatsagortsyan aus der Theorie-Abteilung von Christoph Keitel am Heidelberger Max-PIanck-Institut für Kernphysik nun detailliert untersucht, was der Spin-Freiheitsgrad von aus dem Plasma ausgeschleuderten Elektronen über die Eigenschaften des CFI im Plasma aussagen kann.
Zu diesem Zweck implementierten sie ein Monte-Carlo-Modell der radiativen Spin-Flip-Effekte in die selbstkonsistente Particle-in-Cell-Methode für Plasmen [2]. Dann führten sie die Simulationen der Plasmastrom-Filamentierung durch, die durch einen ultrarelativistischen Elektronenstrahl ausgelöst wird, der auf ein überdichtes Plasma trifft. Sie konnten so zeigen, dass die radiative Polarisation (Ausrichtung der Spins) der Elektronen während der Instabilität entlang der azimutalen Richtung im Impulsraum auftritt (siehe Abb. 2). Diese akkumulierte Polarisation wird durch eine Asymmetrie der radiativen Elektronen-Spin-Flips hervorgerufen, die in der nichtlinearen Querbewegung der Plasma-Filamente intrinsisch existiert.
Weitere detaillierte Ergebnisse liefern die Klassifizierung und eingehende Analyse dreier verschiedener Regime der Strom-Filamente, nämlich der normalen und der anomalen Filamente sowie dem sogenannten Quench-Regime. Die Elektronenpolarisation ist je nach Regime signifikant unterschiedlich und kann in der Praxis bei Experimenten helfen, die spezifischen Regime zu unterscheiden. Diese Ergebnisse weisen auf das hohe Potenzial der Elektronenpolarisation zur Selbstdiagnose von Plasmainstabilitäten im Labor und in der Astrophysik hin.
Für seine sehr innovative Forschung zur Erzeugung eines spinpolarisierten Plasmas mit Hilfe eines hochintensiven Lasers erhielt Autor Zheng Gong den MRE Young Scientist Award 2022.
Originalpublikationen:
[1] Electron Polarization in Ultrarelativistic Plasma Current Filamentation Instabilities
Z. Gong, K. Z. Hatsagortsyan and C. H. Keitel
Physical Review Letters, 130, 015101 (2023), DOI: 10.1103/PhysRevLett.130.015101
[2] Retrieving Transient Magnetic Fields of Ultrarelativistic Laser Plasma via Ejected Electron Polarization
Z. Gong, K. Z. Hatsagortsyan and C. H. Keitel
Physical Review Letters, 127, 165002 (2021), DOI: 10.1103/PhysRevLett.127.165002
2023 APS-DPP press release 'A New “Spin” on Studying Plasma Dynamics'
Gruppe Relativistic and Ultrashort Quantum Dynamics (Abteilung Keitel) am MPIK
MRE Young Scientist Award 2022 für Zheng Gong