Auf dem Weg zur Atomuhr der nächsten Generation

Gemeinsame experimentell-theoretische Studie am MPIK identifiziert einen metastabilen Zustand in hochgeladenem Blei

Moderne Atomuhren gehören zu den genauesten Messinstrumenten. Sie sind die Grundlage für Spitzentechnologien wie das GPS-System. Die Erfindung des Frequenzkamms (Nobelpreis 2005) öffnete den Weg zu Atomuhren, die optische Übergänge in gefangenen, einzelnen, hochgeladenen Ionen (HCI) nutzen. Da die jüngste Entwicklung von Frequenzkämmen inzwischen bis zum Bereich des extremen Ultravioletts (XUV) reicht, wird durch die Kombination mit XUV-Übergängen in HCI eine weitere Steigerung der Präzision erwartet. Der Vorteil solcher Übergänge sind ihre hohen Frequenzen und ihre geringe Empfindlichkeit gegenüber externen Störungen. Langlebige Uhrenzustände haben jedoch eine extrem schmale spektrale Breite, so dass sie mit einem kohärenten Laser mit begrenztem Durchstimmbereich ohne anfängliche Kenntnis ihrer Übergangsenergie schwer zu erfassen sind.

Die wissenschaftliche Abteilung von Klaus Blaum am MPIK hat in hochgeladenen Blei-Ionen einen metastabilen elektronischen Zustand identifiziert, der als Uhrenzustand genutzt werden könnte. „Mit dem Penningfallen-Massenspektrometer PENTATRAP und unter Ausnutzung der Einstein'schen Masse-Energie-Äquivalenz haben wir die Anregungsenergie des metastabilen Zustands in Pb41+-Ionen direkt zu 31,2(8) eV (Fehler in Klammern) bestimmt“, sagt Doktorandin Kathrin Kromer. „Mit einer anteiligen Massenunsicherheit von 4×10–12(vier Teile in einer Billion) ist dies eine der bislang präzisesten Massenmessungen.

Dies wurde mit einer theoretischen Arbeit aus der Abteilung von Christoph Keitel am MPIK und Paul Indelicato von der Universität Sorbonne kombiniert, in der die Übergangsenergie mittels zweier umfangreicher, teilweise unterschiedlicher ab-initio-Multi-Konfigurations-Dirac-Hartree-Fock-Rechnungen bestimmt wurde: Die Ergebnisse von 31,68(13) eV und 31,76(35) eV stimmen innerhalb der angegebenen Fehler gut mit dem gemessenen Wert überein. Chunhai Lyu, Postdoc in der MPIK-Theoriegruppe, betont: „Unsere Berechnung ergibt eine Lebensdauer von 26,5(5,3) Tagen, was einem hervorragenden Qualitätsfaktor von 1,1×1023 für den Übergang dieses metastabilen Zustands in den Grundzustand entspricht.

Die gute Übereinstimmung bestätigt die theoretischen Mehrelektronenstudien und demonstriert die Stärke der Penningfallen-Massenmessungen für die Suche nach HCI-Uhrenübergängen. Im Vergleich zu den derzeitigen optischen Uhren würde dies den Bau einer ultrastabilen Uhr mit einer um 3 bis 4 Größenordnungen verbesserten Stabilität ermöglichen.


Originalpublikation:

Observation of a low-lying metastable electronic state in highly charged lead by Penning-trap mass spectrometry
Kathrin Kromer, Chunhai Lyu, Menno Door, Pavel Filianin, Zoltán Harman, Jost Herkenhoff, Paul Indelicato, Christoph H. Keitel, Daniel Lange, Yuri N. Novikov, Christoph Schweiger, Sergey Eliseev and Klaus Blaum
Physical Review Letters 131, 223002 (2023). DOI: 10.1103/PhysRevLett.131.223002


Weblinks:

PENTATRAP experiment

Gruppe „Ionic Quantum Dynamics and High-Precision Theory“ am MPIK


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Abb. 1: Eine sehr präzise Atomwaage: PENTATRAP besteht aus fünf übereinander angeordneten sogenannten Penningfallen (gelbe Säule in der Mitte). In diesen baugleichen Fallen lassen sich Ionen im angeregten Quantenzustand und im Grundzustand im Vergleich messen. Um Fehler zu minimieren, werden die Ionen für Vergleichsmessungen auch zwischen verschiedenen Fallen hin und her geschoben. Foto: MPI für Kernphysik