Mit Supernovae den Geheimnissen der Neutrinos auf der Spur

Wissenschaftler des MPIK und des "Gleb Wataghin" Institute of Physics der University of Campinas in São Paulo in Brasilien haben den Einfluss eines veränderlichen Magnetfeldes innerhalb von Supernovae auf die Zusammensetzung des von dort kommenden Neutrinoflusses untersucht und beschreiben so eine Möglichkeit zur Messung des bisher unbekannten magnetischen Momentes von Neutrinos.

Bereits 1930 postulierte Wolfgang Pauli die Existenz eines zu diesem Zeitpunkt unbekannten Teilchens, um ein ungelöstes Problem bei der Beschreibung von radioaktiven Kernreaktionen zu lösen: Beim sogenannten Beta-Zerfall eines Atomkerns werden die fundamentalen Gesetze der Energie- und Drehimpulserhaltung verletzt, außer man fügt ein weiteres, nahezu masseloses und extrem schwer nachzuweisendes Teilchen in die Gleichung mit ein- das sogenannte Neutrino. 1956 gelang dann der erste experimentelle Nachweis von Neutrinos. Heute sind drei verschiedene Neutrino-Arten, auch Flavours genannt, bekannt, die sich durch sogenannte Neutrino-Oszillationen ineinander umwandeln können. Die drei Neutrino-Arten haben alle extrem geringe, aber leicht unterschiedliche Massen, von denen nur Obergrenzen bekannt sind.

Eine weitere fundamentale Eigenschaft der Neutrinos, die mit der Masse der Teilchen einhergeht, ist ein magnetisches Moment, dessen Existenz zwar ebenfalls von Pauli in seinem Brief „Liebe Radioaktive Damen und Herren" erwähnt wurde, ein experimenteller Nachweis ist aber bisher nicht gelungen. Die Größe dieses magnetischen Momentes beeinflusst aber das Verhalten eines Neutrinos innerhalb eines äußeren Magnetfeldes und könnte viele der ungeklärten Fragen zur Neutrinomasse aufklären.

Sudip Jana vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg (MPIK) und Yago Porto vom "Gleb Wataghin" Institute of Physics der University of Campinas in São Paulo, Brasilien haben nun erstmals Überlegungen angestellt, inwiefern ein sich verdrehendes Magnetfeld im Inneren von Supernova-Explosionen den Nachweis der Neutrinos daraus beeinflussen würde: Während bisherige Untersuchungen nur Magnetfelder in eine festgelegte Richtung berücksichtigten, konnten die beiden Physiker nun zeigen, dass Neutrinos, die auf ihrem Weg aus dem Kern einer Supernova-Explosion hinaus wechselnden Magnetfeldrichtungen ausgesetzt sind, zu resonanten Spin-Änderungen innerhalb der Supernova angeregt werden, die etwa eine Umwandlung der Neutrino-Art in sein Antiteilchen zur Folge haben.

Da diese Umwandlungen nur in einer zeitlich stark begrenzten Zeitspanne in den ersten Millisekunden des Kernkollapses der Supernova stattfinden, führt dieser Effekt zu einer zeitlich veränderlichen Messung des Neutrino- und Antineutrino-Flusses auf der Erde, bei der sich auch dessen Zusammensetzung aus den drei Neutrino-Arten (Flavours) ändert.

Daher könnten zukünftige Experimente, wie etwa das im Bau befindliche Deep Underground Neutrino Experiment, das Jiangmen Underground Neutrino Observatory oder das Hyper-Kamiokande-Experiment, durch eine Messung eines zeitlich schwankenden Neutrino-Flusses aus einer Supernova Rückschlüsse über die Größe des lange gesuchten magnetischen Momentes der Neutrinos ermöglichen.

„Bei der Abschätzung der erwarteten Neutrinoflüsse in diesen Experimenten muss eine Wechselwirkung der magnetischen Momente mit veränderlichen Magnetfeldern berücksichtigt werden“, merkt Sudip Jana, einer der beiden Autoren der Studie und Post-Doc am MPIK an. „Dies ermöglicht uns einen einzigartigen Blick auf die bislang noch offenen Fragen der Neutrinophysik und führt zu einem besseren Verständnis einer nötigen Erweiterung des Standardmodells der Physik, mit der Forschende heutzutage den Aufbau unseres Universums erklären“ fügt er hinzu.


Originalpublikation:

Resonances of supernova neutrinos in twisting magnetic fields
Sudip Jana and Yago Porto
Phyical Review Letters 132, 101005; DOI: 10.1103/PhysRevLett.132.101005

 


Link zur Abteilungsseite: Particle and Astroparticle Physics

Kontakt

Dr. Sudip Jana
Tel.: +49 6221 516-285


Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Dr. Renate Hubele / PD Dr. Bernold Feuerstein
Tel.: +49 6221 516-651 / +49 6221 516-281


neutrinos2.svg
Neutrinos, die in einer Supernova entstehen, können neuartige resonante Spin-Änderungen durchlaufen, welche die Zusammensetzung den auf der Erde gemessenen Neutrinoströme erheblich verändern.