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Hochgeladene Ionen sind Atome, welche vielfach Ionisiert wurden. Ihnen fehlen also sehr viele Elektronen. Sie können normalerweise nur in sehr heißen Regionen existieren, z.B. innerhalb oder in der direkten nähe von Sternen bei Temperaturen von mehreren 100 000 Kelvin. An diesen Orten ist die Bewegungsenergie der vorhandenen Teilchen ausreichend groß, um durch Kollisionen zwischen Atomen, Ionen und Elektronen eine Ionisation hervorzurufen. Außerdem werden die hochgeladenen Ionen durch Kollisionen immer wieder angeregt. Sie emittieren Röntgenstrahlung, welche widerum andere Teilchen anregt. Sehr viele Elektronen und Ionen bilden ein Plasma.

Die restlichen Elektronen, die noch an den Atomkern eines hochgeladenen Ions gebunden sind, rücken durch die starke, positive Ladung des Kerns sehr nah an ihn heran. Durch die positive Ladung, können bei Kollisionen immer wieder Elektronen von  anderen Ionen gebunden, aber auch abgegeben werden. Ein Plasma besitzt also sehr viele Dynamiken, die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erkannt, beschrieben und verstanden werden müssen. Nur so können neue Erkenntnisse über unsere Natur gewonnen werden. 

Wir benötigen also ein Labor, welches Plasmen erzeugen kann, wie sie auch in Sternen vorkommen.

Am Max-Planck-Institut für Kernphysik erzeugen wir hochgeladene Ionen, indem wir Atome mit einem Elektronenstrahl beschießen. Die Elektronen werden aus einer speziellen Kathode, die aus Barium und Wolfram besteht, emittiert. Damit dies gelingt, wird die Kathode auf etwa 900°C erhitzt. Eine positiv geladene Elektrode beschleunigt die negativ geladenen Elektronen, sodass ein Elektronenstrahl entsteht.

Um sicherzustellen, dass möglichst viele Atome von den Elektronen getroffen werden, verwenden wir ein starkes Magnetfeld. Dieses Magnetfeld komprimiert den Elektronenstrahl von einem Durchmesser von 3,5 mm an der Kathode auf etwa 20 µm im Bereich, in dem er mit den Atomen interagiert. Diese entspricht der Größe eines Haars. Bei einem Strom von 10 mA erhöht sich so die Dichte des Elektronenstrahls von 0,08 A/cm² auf 2500 A/cm². Durch diese hohe Dichte wird die Wahrscheinlichkeit, dass Atome durch Zusammenstöße mit den Elektronen ionisiert werden, erheblich gesteigert.

 

Während einer totalen Sonnenfinsternis wird ein Großteil der Sonne vom Mond verdeckt, wodurch nur die Korona sichtbar bleibt. Diese kann mithilfe von Teleskopen und Spektrometern analysiert werden, um ihre Bestandteile zu vermessen. Die gewonnenen Spektrallinien ermöglichen Schlüsse über die vorhandenen Atome und ihren Ionisierungsgrad. Hierfür sind jedoch experimentelle Vergleichsdaten erforderlich.

An der Heidelberg EBIT wurde ein Plasma aus Eisen erzeugt und analysiert. Das Spektrum zeigt die Übergangslinien von bis zu 13-fach ionisiertem Eisen. Ein Vergleich mit der Sonnenkorona ergab eine bemerkenswerte Übereinstimmung, wodurch nun Schlussfolgerungen über Temperaturen, Dichten und Magnetfelder gezogen werden können. Solche Messungen werden regelmäßig durchgeführt, um Daten von Röntgensatelliten zu interpretieren und sie zu kalibrieren.

In der Experimentierhalle des Max-Planck-Instituts für Kernphysik findet man eine Vielzahl von EBITs. Bei den meisten sieht man jedoch nur die Vakuumkammer, Detektoren und Einhausungen von Spektrometern. Hier sieht man die FLASH-EBIT am Röntgenlaser LCLS in Stanford, USA. Wenn man einen Schnitt durch die Vakuumkammer macht, erkennt man die einzelnen Bauteile dieses Experiments.

Die Elektronenkanone

Innerhalb der Vakuumkammer befinden sich die Kernelemente der EBIT: die Elektronenkanone, die Fallenregion mit vielen Elektroden, der Magnet und der Kollektor.

Der Elektronenstrahl wird in der Kanone erzeugt. Ein sehr wichtiges Kriterium für die Kompression des Strahls ist, dass er vom starken Magneten abgeschirmt wird, sodass das restliche Feld null ist. Dafür gibt es zwei Bauteile: eine Spule, die ein Gegenfeld zum Magneten erzeugt, und einen Hohlzylinder aus Reineisen, der zusätzlich das Feld abschirmt. Der Ionisationsgrad der hochgeladenen Ionen hängt von der Geschwindigkeit des Elektronenstrahls ab, also von der kinetischen Energie oder der Spannungsdifferenz zwischen der Anode und der Kathode. Um einem Blei-Atom fast alle Elektronen zu entziehen, werden Spannungen von bis zu 160 kV benötigt. Deshalb schützt ein Isolator die Kanone vor Spannungsüberschlägen. Er muss durch die hohe Temperatur der Kathode auch hitzebeständig sein und besteht daher aus einer speziellen Keramik namens Macor. Direkt um die Kathode herum befinden sich Elektroden aus Molybdän. Dieses Material ist aufgrund seiner höheren Schmelztemperatur wesentlich besser geeignet als Edelstahl oder Kupfer. Eine konkav geformte Elektrode fokussiert den Elektronenstrahl zusammen mit den Führelektroden in Richtung der Fallenregion.

Die Fallenregion

Im Magneten befindet sich die Falle, die diverse Schauöffnungen für Detektoren besitzt. Da der 6-Tesla-Magnet, ähnlich wie bei einem MRT, supraleitend ist und auf etwa 4K gekühlt wird, muss der gesamte Aufbau an diese besonderen Gegebenheiten angepasst werden. Die Falle besteht aus vielen Elektroden, mit denen sich die Ionen manipulieren lassen. Durch schnelle Potentialänderungen können beispielsweise bestimmte Plasmen simuliert oder der Ionisationsprozess optimiert werden. Die einzelnen Elektroden sind elektrisch durch Saphirblöcke voneinander getrennt und thermisch miteinander verbunden. Um zu verhindern, dass Spannungsüberschläge den Magneten aufheizen und dadurch die Supraleitung verloren geht, wurden auch hier Abschirmungen vorgesehen. Zusätzlich sind Hitzeschilde vorhanden, die den Magneten vor der thermischen Strahlung der Umgebung schützen sollen.

Der Kollektor

An dieser Stelle wurde bereits viel über die Erzeugung und die Interaktion des Elektronenstrahls mit den Atomen geschrieben. Doch wohin geht der Elektronenstrahl eigentlich? In die Elektroden der Fallenregion kann er nicht eindringen, da dies zu einer Aufheizung durch Kollisionen führen würde und der Magnet dadurch seine supraleitenden Eigenschaften und sein Magnetfeld verlieren könnte. Deshalb gibt es ein weiteres wichtiges Element in der Elektronenstrahl-Ionenfalle: den Kollektor. Ähnlich wie bei der Elektronenkanone besitzt der Kollektor eine Spule zur Kompensation des Magnetfeldes. Diesmal jedoch dient sie dazu, den Strahl zu erweitern. Zusätzlich stoppt eine Reflektorelektrode den Strahl ab. Bei den richtigen Einstellungen trifft der Elektronenstrahl dann auf eine wassergekühlte Kupferoberfläche, die die Elektronen absorbiert und ableitet.

Da bei der Kollision mit der Oberfläche zusätzliche Elektronen gelöst werden können, wird eine Dämpfungselektrode mit einer negativen Spannung versehen, um ein Austreten dieser Sekundärelektronen zu verhindern. Um den Elektronenstrahl am Kollektor abzustoppen und zu extrahieren, muss mindestens dieselbe Spannung wie an der Elektronenkanone angelegt sein. Daher sind auch hier Hochspannungsschilde angebracht, die den Kollektor vor unkontrollierten Überschlägen schützen sollen.

Während Elektronenstrahl-Ionenfallen wie die Heidelberg- oder die FLASH-EBIT sehr hohe Energien erzeugen können und trotzdem teilweise transportabel sind, handelt es sich um große, komplexe Experimente. Deshalb wurden in Heidelberg deutlich kompaktere "Tischaufbauten" entwickelt, die keinen supraleitenden Magneten benötigen: die sogenannten Mini-EBITs. In der Halle findet man sie überall, sei es als Produktionsmaschine für andere Großexperimente wie die Penningfallen oder das kryogene Paulfallen-Experiment, oder als eigenständige Experimente zur Erprobung und Kalibrierung neuer Detektoren. Ein besonderes Gerät verfügt über eine neuartige Elektronenkanone, die nicht "auf Achse" ist. Dadurch wird es möglich, einen Laserstrahl direkt durch das Fallenzentrum auf die gespeicherten Ionen zu richten. Dies ist viel effizienter, da deutlich mehr Ionen getroffen werden, als durch einen Strahl, der von der Seite eingekoppelt wird. In den letzten Jahren konnten so erfolgreiche Messkampagnen an diversen Röntgenquellen, wie dem ultrabrillanten XFEL in Hamburg oder dem Synchrotron in Triest, durchgeführt werden. Teilweise fanden diese Kampagnen direkt nacheinander statt, mit nur einer Woche Zeit zur Verlegung des Experiments.

Synchrotronstrahlung ist Röntgenstrahlung, die durch nahezu lichtschnell beschleunigte Elektronen erzeugt wird. Die Elektronen emittieren Röntgenstrahlung durch ihre Slalombewegung in einem sogenannten Undulator. Hochgeladene Ionen in der EBIT werden von diesem Licht bestrahlt und analysiert. Elektronenbahnübergänge werden so mit millionstel Genauigkeit bestimmt. Eine solch hohe Genauigkeit kann allein durch die Anregung mit dem Elektronenstrahl selbst nicht erreicht werden.

 

Mit der Forschung an hochgeladenen Ionen rücken auch neue Methoden zur Untersuchung ihrer Spektrallinien in den Vordergrund. Während im Röntgenbereich, zum Beispiel in Hamburg am DESY, bereits einige Großexperimente existieren und im sichtbaren sowie infraroten Spektrum eine Vielzahl an Lasern verfügbar ist, gibt es kaum Systeme, die zuverlässig ultraviolette, kohärente Strahlung erzeugen können. Dieser Bereich ist jedoch von besonderer Bedeutung, denn viele hochgeladene Ionen besitzen dort extrem langlebige und damit schmale elektronische Übergänge. Diese eignen sich besonders gut für neuartige Atomuhren und zur Suche nach neuer Physik, die mit dem heutigen Standardmodell allein nicht beschrieben werden kann. Hierfür nutzen wir einen Frequenzkamm.

Ein Frequenzkamm ist eine besondere Art von Laser, der in kurzen Abständen Lichtimpulse aussendet. Im Gegensatz zum durchgehenden Regenbogen-Farbspektrum, das wir von der Sonne kennen, erzeugt er eine Reihe von einzelnen, scharf getrennten Linien, ähnlich den Zinken eines Kamms. Diese Eigenschaft macht den Frequenzkamm zu einem extrem genauen Maßstab für die Messung von Lichtfrequenzen. Durch die Erzeugung hoher Harmonischer kann die Frequenz des Kamms vervielfacht werden, um die genaue Untersuchung von Atomen im ultravioletten Bereich zu ermöglichen. Mit dieser Technologie könnte es gelingen, die schnellste tickende Uhr der Welt zu konstruieren.

Um diese hohen Harmonischen zu erzeugen, müssen die Pulse, die im Frequenzkamm generiert werden, verstärkt werden. Aufgrund der hohen Leistung kann bereits ein winziges Staubkorn auf einem Spiegel zu dessen Zerstörung führen. Daher wird in einem äußerst reinen, staubfreien Labor gearbeitet, in dem besondere Schutzkleidung getragen und regelmäßige Reinigungen durchgeführt werden.