Wie man einen Gammastrahlenpuls mit der Dichte eines Festkörpers erzeugen kann

Neuartiges theoretisches Konzept

Die Erzeugung hochenergetischer, dichter und gebündelter Photonenstrahlen ist sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die angewandte Forschung von großem Interesse. Ein internationales Team von Physikern um Matteo Tamburini aus der Abteilung von Christoph Keitel am MPIK hat gezeigt, dass ein gepulster, ultrarelativistischer Elektronenstrahl, der eine Reihe von dünnen Aluminiumfolien durchquert, sich sowohl selbst fokussiert und damit seine Dichte erhöht, als auch effizient einen gebündelten Gammastrahlenpuls mit mehr Photonen pro Volumeneinheit erzeugt als Elektronen in einem Festkörper. Nach Durchqueren von 20 Folien sind mehr als 30% der Energie des Elektronenstrahls in Gammastrahlung umgewandelt. Dies geschieht dadurch, dass die starken elektrischen und magnetischen Felder, die den ultrarelativistischen Elektronenstrahl begleiten, „zurück reflektiert“ werden, wenn der Strahl die Folienoberfläche durchquert. Ähnlich wie bei einer elektromagnetischen Welle, die auf einen Spiegel trifft, ist das reflektierte Magnetfeld nahezu gleich dem Magnetfeld des Strahls, während das reflektierte elektrische Feld die gleiche Amplitude aber die entgegengesetzte Richtung hat wie das des Elektronenstrahls. An der Folienoberfläche ist daher das gesamte auf den Strahl wirkende elektrische Feld nahezu Null, das gesamte magnetische Feld hingegen nahezu verdoppelt. Dieses starke azimutale Magnetfeld fokussiert den Elektronenstrahl radial und löst folglich eine gebündelte hochenergetische Photonenemission aus.

Solche extrem dichten Strahlen ermöglichen Studien der Physik von materielosen Photon-Photon-Wechselwirkungen, die von Materie-Antimaterie-Erzeugung aus Licht über Licht-an-Licht-Streuung und die Suche nach möglicher neuer Physik bei der Wechselwirkung von Photonen mit noch unentdeckten Teilchen bis hin zu astrophysikalischen Studien im Labor reichen. Hierbei werden aus dem dichten Gammastrahlenpuls dichte neutrale relativistische Jets aus Elektron-Positron-Paaren erzeugt, die dann bisher nicht machbare Studien der kollektiven Prozesse, die hochenergetische astrophysikalische Umgebungen wie Gammastrahlenausbrüche und Blazar-Jets formen, ermöglichen und somit Einblicke in diese exotischen Systeme liefern.


Originalpublikation:

Extremely Dense Gamma-Ray Pulses in Electron Beam-Multifoil Collisions, A. Sampath, X. Davoine, S. Corde, L. Gremillet, M. Gilljohann, M. Sangal, C. H. Keitel, R. Ariniello, J. Cary, H. Ekerfelt, C. Emma, F. F., H. Fujii, M. Hogan, C. Joshi, A. Knetsch, O. Kononenko, V. Lee, M. Litos, K. Marsh, Z. Nie, B. O'Shea, J. R. Peterson, P. San Miguel Claveria, D. Storey, Y. Wu, X. Xu, C. Zhang, and M. Tamburini, Phys. Rev Lett. 126 (2021), DOI: 10.1103/PhysRevLett.126.064801


Kontakt

Dr. Matteo Tamburini
Tel.: +49 6221 516-163
E-Mail: matteo.tamburini@mpi-hd.mpg.de


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Schematischer Aufbau (oben) und Dichteverteilung des erzeugten Gammastrahlenpulses (blau umrandet) und des fokussierten Elektronenstrahls (orange umrandet), nachdem der Elektronenstrahl 16 aufeinanderfolgende Aluminiumfolien passiert hat.