Präzisionswaage für Atomkerne

Ein Wegweiser zur Insel der Stabilität

Was es auf der Weltkarte längst nicht mehr gibt, vermuten Physiker im Periodensystem der Elemente: Eine unentdeckte Insel. Das Periodensystem erweitern die Forscher, indem sie superschwere Elemente, also Elemente, die schwerer sind als Uran, im Labor erzeugen. Doch je schwerer die Atomkerne der neu erzeugten Stoffe sind, desto schneller zerfallen sie, oft innerhalb von Millisekunden. Physiker wollen dennoch immer weiter in das Meer der Instabilität vordringen. Denn sie sind überzeugt, dass es Atomkerne gibt, die schwerer sind als die bislang erzeugten und dennoch stabil. Doch bei der Suche nach der Insel der Stabilität stochern sie im Nebel, denn sie wissen nicht, welche Kombinationen von Protonen- und Neutronenzahl stabile Kerne ermöglichen. Einen Wegweiser im Nebel haben nun Physiker des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) in einer vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt geführten internationalen Kollaboration mitentwickelt: Eine Präzisionswaage für superschwere Atomkerne erlaubt es, das Suchgebiet einzugrenzen. (Nature, 11. Februar 2010)

Wie viel superschwere Atomkerne auf die Waage bringen, sagt aus, wie stark die Bestandteile des Kerns, Neutronen und Protonen, aneinander gebunden sind. Denn die Masse des Kerns ergibt sich aus der Summe der Massen seiner Bausteine und – nach Einsteins berühmter Formel E = mc2 – der Bindungsenergie des Kerns. Stabilität und Masse hängen also zusammen. Verschiedene Theorien sagen für die Lage der Insel der Stabilität und die Massen superschwerer Atomkerne, die bereits erzeugt werden können, unterschiedliche Werte voraus. Hochpräzise Massenmessungen erlauben, die Theorien zu testen und das Gebiet einzugrenzen, in dem sich die Insel der Stabilität vermutlich befindet.

Mit dem Penningfallen-Massenspektrometer SHIPTRAP der GSI gelang es nun, die Massen von 252-254No ca. 10 mal exakter zu bestimmen als mit der bisher üblichen indirekten Methode, bei der die beim radioaktiven Zerfall frei werdende Energie und die Massen der leichteren, wägbaren Zerfallsprodukte addiert werden. Um die erforderliche Anzahl von einigen Hundert Nobeliumionen innerhalb weniger Stunden in die Falle zu schleusen, kam eine neu entwickelte Abbremstechnik mit einer Helium-Gaszelle und einem elektrischen Feld zum Einsatz. Die Nobeliumionen wurden durch Beschuss einer Bleifolie mit Kalziumionen erzeugt.

Mit dieser Apparatur könnten im Prinzip auch eventuell entstandene langlebige superschwere Elemente nachgewiesen werden. Da noch schwerere Kerne jedoch noch seltener entstehen, ist eine weitere Verbesserung von SHIPTRAP in Arbeit, die mit einer kryogenen Gaszelle einen höheren Anteil der Ionen einfangen soll. Außerdem ist ein Ersatz der verbrauchenden Flugzeit-Zyklotronresonanzmethode durch die mehere Messungen mit ein und demselben Ion ermöglichende Spiegelstrommethode geplant.

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Weitere Informationen:

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft

Abteilung von Klaus Blaum

Originalveröffentlichung

News and Views (Nature)

Nature News

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Kontakt:

Prof. Dr. Klaus Blaum
Max-Planck-Institut für Kernphysik
Tel: +49 6221 516850
E-Mail: klaus.blaum AT mpi-hd.mpg.de

Dr. Michael Block
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH
Tel: +49 6159 712463
E-Mail:m.block AT gsi.de

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Das Doppel-Penningfallen-Massenspektrometer der SHIPTRAP-Apparatur am GSI-Helmholtzzentrum in Darmstadt (Foto: G. Otto, GSI)