Neue Apparatur am Stanford-Röntgen-Laser misst erstmals Dreierlei auf einen Streich

Mit der CFEL-ASG Multi-Purpose (CAMP) Messkammer ist unter maßgeblicher Beteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik eine einzigartige Apparatur zum gleichzeitigen Nachweis von Elektronen, Ionen und Photonen entwickelt worden. Unter Federführung der Advanced Study Group der Max-Planck-Gesellschaft am Center for Free Electron Laser Science (CEFL) ist CAMP nun seit Ende November erstmals am weltweit einzigen Röntgenlaser LCLS des SLAC-Beschleunigerlabors in Stanford für vier Wochen (30 % der Experimentierzeit der ersten Periode) in Betrieb.

Zeitaufgelöste, bildgebende Verfahren ermöglichten in den vergangenen Jahrzehnten immer tiefere Einblicke in das dynamische Verhalten von Quantensystemen. Als zentrale „Arbeitspferde“ haben sich dabei, neben optischen Methoden immer mehr so genannte Reaktionsmikroskope etabliert, die eine präzise und vollständige Vermessung der Geschwindigkeiten und Flugrichtungen von geladenen Reaktionsprodukten wie Elektronen und Ionen erlauben. Das Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) ist mit der Abteilung von Joachim Ullrich ein weltweit führendes Zentrum dieser Technologie. Ullrich ist zugleich Sprecher der Advanced Study Group der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) am Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), an der insgesamt acht Max-Planck-Institute beteiligt sind. Das CFEL ist ein gemeinsames Projekt der MPG, der Universität Hamburg und des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in der Helmholtz-Gemeinschaft.

Die CAMP-Apparatur vereinigt in einer einmaligen Weise bildgebende Verfahren für geladene Teilchen mit neuesten Detektoren für den Nachweis von Röntgen-Photonen: Letztere erlauben es, die Struktur von Atomen, Molekülen, Clustern oder z.B. auch von Nanoteilchen mittels Streuung hochintensiver Röntgenlaserblitze von „Freie-Elektronen-Lasern“ (FEL) detailliert abzubilden. Nimmt man Sequenzen von FEL-Pulsen, die lediglich wenige Femtosekunden lang sind, so ergibt sich die einmalige Möglichkeit, Strukturänderungen als Funktion der Zeit, wie in einem Film jedoch mit atomarer Zeit- und Längenauflösung aufzunehmen. Durch den Nachweis aller Teilchen, die entstehen, wenn der Lichtblitz mit Materie wechselwirkt, gelingt eine weitgehend vollständige Charakterisierung der zu untersuchenden Prozesse. Die neue Mehrzweck-Apparatur erlaubt es, zwei alternativ einsetzbare Nachweisverfahren für geladene Teilchen sowie insbesondere die Röntgen-Kameras, neuartige CCD-Detektoren, simultan zu betreiben. Diese wurden am Max-Planck-Halbleiterlabor in München unter der Leitung von Lothar Strüder speziell für Untersuchungen mit FEL-Strahlung entwickelt. Mit einer aktiven Fläche von jeweils ca. 60 cm2 sind sie die größten CCD-Röntgenkameras der Welt, die nicht nur einzelne Photonen orts- und energieaufgelöst nachweisen können, sondern auch integrale Streubilder aufnehmen. In der neuen Apparatur – nach ihrem Erbauer und Zweck CFEL-ASG Multi-Purpose (CAMP) Kammer genannt – können verschiedene Proben wie z.B. Atom-, Molekül- oder Clusterstrahlen, injizierte Biomoleküle, Flüssigkeiten und Nanoteilchen, Nanokristalle oder Festkörperproben untersucht werden. Zusätzlich ist eine Präparation dieser Targets mit gepulsten optischen Laserstrahlen möglich. Spezielle biologische Proben werden in der ASG im Heidelberger Max-Planck Institut für medizinische Forschung in der Abteilung von Ilme Schlichting hergestellt.

Die Idee zu einer solchen Mehrzweck-Kammer stammt aus dem MPIK; maßgeblich zum Design haben dort die Physiker Claus Dieter Schröter und Kai-Uwe Kühnel beigetragen. Für eine erste Strahlzeit Kampagne am LCLS wurde CAMP – zehn Tonnen Material, verpackt in 40 Containern – im Oktober dieses Jahres an das SLAC-Beschleunigerlabor in Stanford (Kalifornien) transportiert, unter der Leitung der ASG-Wissenschaftler Sascha Epp, Daniel Rolles (Projektkoordinator) und Artem Rudenko zusammen mit Robert Hartmann vom Halbleiterlabor aufgebaut und schließlich am Strahlrohr des LCLS-Röntgenlasers installiert. Eine große Herausforderung ist die Aufnahme der enormen Datenmengen von bis zu vielen Terabyte pro Tag, die von Lutz Foucar, verantwortlicher Leiter der CAMP-Datenaufnahme, koordiniert wird. Auf dem Programm der Ende November begonnenen Messreihen stehen Strukturuntersuchungen von Atomen, Clustern sowie von Nanokristallen und von biologischen Proben, wobei erstmals sowohl das gestreute Röntgenlicht und Fluoreszenzstrahlung als auch die aus der Reaktion entstehenden Fragmente nachgewiesen werden können. Die ersten Resultate übertreffen die Erwartungen aller beteiligten Wissenschaftler und sind somit ein ermutigendes Signal für zukünftige Experimente am europäischen Röntgen-FEL in Hamburg.

 

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Weitere Informationen:

Advanced Study Group der MPG am CFEL Hamburg

Abteilung Ullrich am MPIK

Linear Coherent Light Source (LCLS) am SLAC, Stanford

Pressemeldung der LCLS

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Abb. 1: Schematische Darstellung (links) der CAMP-Apparatur mit dem Reaktionsmikroskop (REMI) zum Nachweis von Elektronen und Ionen. Das Target (schwarzes X in der Mitte) wird von links mit dem FEL-Röntgenlaserstrahl beschossen und kann zusätzlich mit optischen Lasern präpariert werden. Rechts befindet sich ein Paar beweglich montierter CCD-Detektoren. Ein weiteres Paar kann fest in größerem Abstand angeordnet werden (Foto rechts).

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Abb. 2: Die CAMP-Apparatur im Einsatz am Röntgenlaser LCLS in Stanford (Foto: Lauren Knoche).

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Abb 3. Erste Testaufnahme der Streuung von Röntgenlicht an einem Xenon-Cluster mit charakteristischem Beugungsbild, das Informationen über die geometrische und elektronische Struktur der Cluster enthält. Kollaboration mit Christoph Bostedt (Principle Investigator, SLAC), Arbeitsgruppe Thomas Möller TU Berlin.