Erste STEREO-Ergebnisse bringen ein viertes Neutrino in Bedrängnis

Das Stereo-Experiment hat auf der "Rencontres de Moriond" Konferenz seine ersten Ergebnisse veröffentlicht. Diese schließen einen beträchtlichen Anteil der wahrscheinlichsten Parameter eines hypothetischen vierten Neutrinos aus.

Neutrinos sind als schwer nachweisbare Elementarteilchen bekannt. Sie entstehen im Inneren von Sternen, in Teilchenbeschleunigern, in anderen Hochenergieprozessen oder – wie im Falle von STEREO – in Kernreaktoren. Neutrinos tragen keine elektrische Ladung und wechselwirken kaum mit anderer Materie. Man kennt derzeit drei verschiedene Neutrinoarten: Elektron-, Myon und Tauneutrinos. Die 20 Jahre alte erstaunliche Entdeckung, dass Neutrinos ihre Art ändern können während sie sich ausbreiten, wurde 2015 mit dem Nobelpreis gewürdigt.

Gibt es mehr als drei Neutrinoarten? Diese Frage gewann 2011 große Bedeutung. Französische Forscher vom Irfu-Saclay stellten damals fest, dass sich verschiedene experimentelle Ergebnisse mit der Existenz eines vierten Neutrinos besser erklären lassen. Mit einer Masse im Bereich von 1 eV wäre dieses sogenannte „sterile Neutrino” schwerer als die drei bekannten Neutrinoarten. Der Nachweis eines solchen zusätzlichen Neutrinos wäre eine bahnbrechende Entdeckung. Aufgrund der Hinweise entstanden weltweit verschiedene Projekte, die alle darauf abzielen, die Existenz dieses hypothetischen Teilchens entweder zu bestätigen oder zu widerlegen.

Das deutsch-französische STEREO-Experiment vermisst hierzu exakt die Raten und die Energieverteilungen der im Kernreaktor des Institut Laue-Langevin (Grenoble) erzeugten Neutrinos. Das Team hat nun erste Ergebnisse veröffentlicht, die wesentliche Bereiche des möglichen Parameterbereichs ausschließen (siehe Abbildung). Ein Datensatz mit der vierfachen Anzahl von gemessenen Reaktorneutrinos wird bis Ende 2019 erwartet. Zusammen mit den kommenden Ergebnissen der anderen Projekte sollte es damit möglich sein, die Frage der Existenz eines sterilen Neutrinos vollständig zu klären. Aufgrund der hohen Anreicherung von 235U im ILL-Reaktorkern kann STEREO darüber hinaus ein neues isotopenspezifisches Neutrino-Referenzspektrum liefern. Dieses ist von weitreichender Bedeutung für das Verständnis der Daten anderer Reaktorneutrino-Experimente.

Das STEREO-Experiment wird von einem Team aus Wissenschaftlern von Irfu-CEA Saclay, Institut Laue-Langevin (ILL), Annecy’s Particle Physics Laboratory (LAPP), Grenoble’s Subatomic Physics and Cosmology Laboratory (LPSC) und dem Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) betrieben. Die Gruppe am MPIK leistete wesentliche Beiträge, sowohl zum Bau des STEREO-Detektors als auch in der Analyse der Daten. So wurden am MPIK die Detektorflüssigkeiten entwickelt, produziert und charakterisiert. Speziell der Gadolinium-beladene Flüssigszintillator, der das Herz des Detektors bildet, stammt vom MPIK. Ein weiterer entscheidender Beitrag sind die Füllsysteme und die Photosensoren zur Messung der Lichtsignale nach der Neutrinoreaktion im Detektor. Im Bereich der Analyse ist die MPIK-Gruppe bei der Energierekonstruktion und der Effizienzbestimmung aktiv und leitet derzeit die Analysekoordination.

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Kontakt:

Prof. Dr. Dr.h.c. Manfred Lindner
Tel.: 06221 616800
E-Mail: manfred.lindner@mpi-hd.mpg.de

Dr. Christian Buck
Tel.: 06221 516829
E-Mail: christian.buck@mpi-hd.mpg.de

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am MPIK

Im Bild sind die erlaubten Werte der Parameter des vierten Neutrinos, sowie die von STEREO ausgeschlossenen Werte dargestellt. Die vertikale Achse bezieht sich auf die Masse des neuen Neutrinos, die in Zusammenhang mit der Frequenz einer hypothetischen Oszillation steht. Die horizontale Achse zeigt dagegen die Stärke der Oszillation an. Die schwarzen Linien umschließen die Werte aus den Hinweisen anderer Experimente mit dem schwarzen Stern als wahrscheinlichste Kombination. Die grünen (roten) Bereiche sind nun durch die STEREO-Daten mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% (95%) ausgeschlossen.