Die Kohärenzzeit extrem-ultravioletter Frequenzkämme

Hochgeladene Ionen als Stoppuhr

Ein Frequenzkamm besteht aus einer gleichmäßigen Reihe von Frequenzspitzen und ist damit ein für die Atomspektroskopie nützlicher Maßstab im Frequenzraum. Er wird als ein Zug identischer Lichtpulse erzeugt. In der Realität verursacht Rauschen des Lasers Fluktuationen im zeitlichen Abstand zwischen den Pulsen und der Phase. Die Zeitdauer, während der sich die Pulse regulär wiederholen, d.h. die Kohärenzzeit, wird verringert, was verbreiterte Zähne des Kamms zur Folge hat. In den letzten Jahrzehnten haben optische Kämme mit Kohärenzzeiten von über 1 s die Spektroskopie revolutioniert. Über die Erzeugung hoher Harmonischer (HHG) von infraroten Pulszügen sind auch Kämme bei höheren Frequenzen bis in den bisher weitgehend unerforschten extrem-ultravioletten Bereich (EUV) zugänglich. Man geht davon aus, dass die Kohärenzeigenschaften im HHG-Prozess erhalten bleiben, EUV-Kämme mit langen Kohärenzzeiten also machbar sind. Die Bestätigung dieser Voraussage steht aber noch aus.

Kürzlich hat Chunhai Lyu aus der Gruppe Harman in der Abteilung Keitel ein Schema entwickelt, das es ermöglicht, die Kohärenzzeit eines EUV-Frequenzkamms zwischen 1 ms und 1 s mittels Frequenzkamm-Spektroskopie an hochgeladenen Ionen abzuleiten. Manche Ionen haben EUV-Übergänge zu langlebigen angeregten Zuständen, was sie für die Erforschung der Kohärenzzeit geeignet macht. Numerische Simulationen zeigen, dass, während die von einem Kamm mit einer Kohärenzzeit von 1 s ausgelöste Ionendynamik deterministisch ist, chaotische Anregungsdynamik auftritt, wenn der Kamm eine deutlich kürzere Kohärenzzeit hat. Folglich könnte man die genaue Kohärenzzeit aus dem experimentellen Anregungsspektrum bezüglich des Frequenzunterschieds zwischen den Zähnen des Kamms und der Übergangsfrequenz bestimmen. Dieses Verfahren kann möglicherweise in naher Zukunft am MPIK realisiert werden. Die Gruppe von José R. Crespo López-Urrutia in der Abteilung Pfeifer hat bereits einen bedeutenden Schritt hin zu einem EUV-Frequenzkamm erfolgreich umgesetzt. Wenn derartige Frequenzkämme für Experimente zur Verfügung stehen, werden sie Präzisionsspektroskopie auf einer „weißen Landkarte“ ermöglichen und den Weg zu Atomuhren der nächsten Generation ebnen.


Originalpublikation:

C. Lyu, S. M. Cavaletto, C. H. Keitel, Z. Harman, "Interrogating the Temporal Coherence of EUV Frequency Combs with Highly Charged Ions", Phys. Rev. Lett. 125, 093201 (2020), DOI: 10.1103/PhysRevLett.125.093201


Kontakt

PD Dr. Zoltán Harman
Tel.: +49 6221 516-170
E-Mail: zoltan.harman@mpi-hd.mpg.de


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Bestrahlt man ein hochgeladenes Ion resonant mit einem Zug von EUV-Pulsen, entwickelt sich die Besetzung des angeregten Zustands im Fall einer langen Kohärenzzeit des Kamms als deterministische Rabi-Schwingung, oder als chaotische Fluktuation bei kürzerer Kohärenzzeit. Dies ermöglicht eine numerisch berechenbare Beziehung zwischen der experimentell messbaren Populationsdynamik und der Kohärenzzeit.