Der Ausbreitung der kosmischen Strahlung auf der Spur

Halos um Pulsare im hochenergetischen Gammalicht geben entscheidende Hinweise.

Trotz eines Jahrhunderts Erforschung der kosmischen Strahlen wissen wir immer noch recht wenig über ihren Ursprung, und was vielleicht noch überraschender ist, wir verstehen nicht, wie sie sich innerhalb der Milchstraße ausbreiten, insbesondere in der anfänglichen Phase, wenn sie die Orte ihrer Beschleunigung verlassen und ins interstellare Medium übergehen.

Kosmische Strahlen sind geladene Teilchen, die sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit bewegen, und zwar wegen der im Universum allgegenwärtigen Magnetfelder auf gekrümmten Bahnen. Auf sehr großen Skalen kann man die Bewegung der kosmischen Strahlen als rein zufällig ansehen und den Prozess als eine Art Diffusion modellieren. Die offenen Fragen lauten: Ist dieses Diffusionsbild immer richtig? Ist die Diffusionsgeschwindigkeit in allen Teilen der Milchstraße gleich?

Wissenschaftler am MPIK sind intensiv an der Erforschung der Ausbreitung der kosmischen Strahlung beteiligt, und in jüngster Zeit gelangen durch Beobachtung von ‚Halos‘ energiereicher Elektronen an Orten der Teilchenbeschleunigung an Pulsaren wichtige Fortschritte. Ein kürzlich in Nature Astronomy erschienener Artikel erörtert die spannenden Aussichten in diesem Gebiet [1].

Pulsarwindnebel (PWN) sind leistungsstarke Teilchenbeschleuniger, angetrieben durch die schnelle Rotation junger Neutronensterne. Lange Zeit galten Pulsarwindnebel als geschlossene Blasen mit hochenergetischen Teilchen, doch dank der jüngsten Fortschritte unserer Beobachtungstechniken können wir beschleunigte Teilchen dabei beobachten, wie sie aus ihren Quellen in das interstellare Medium entweichen. Nach einer bahnbrechenden Messung mit dem HAWC-Observatorium in Mexiko, die ergab, dass die Teilchen viel langsamer als erwartet diffundieren [2], haben wir daran gearbeitet, das Vorhandensein von Halos um die vielen bekannten TeV-PWN zu verstehen [3,4].

Die zukünftigen Projekte SWGO und CTA werden unser Verständnis der Ausbreitung der kosmischen Strahlung anhand von Halos um Pulsare und ihre Nebel sowie andere Systeme revolutionieren können.


Originalpublikationen:

[1] Gamma-ray haloes around pulsars as the key to understanding cosmic-ray transport in the Galaxy, R. López-Coto, E. de Oña Wilhelmi, F. Aharonian, E. Amato, J. Hinton, Nature Astronomy, 14.02.2022, DOI: 10.1038/s41550-021-01580-0

[2] Extended gamma-ray sources around pulsars constrain the origin of the positron flux at Earth, HAWC Collaboration, Science358, 911–914 (2017), DOI: 10.1126/science.aan4880

[3] Halo fraction in TeV-bright pulsar wind nebulae, G. Giacinti, A. M. W. Mitchell, R. López-Coto, V. Joshi, R. D. Parsons, J. A. Hinton, Astronomy&Astrophysics 636, A113 (2020), DOI: 10.1051/0004-6361/201936505

[4] Do the Geminga, Monogem and PSR J0622+3749 γ -ray halos imply slow diffusion around pulsars? S. Recchia, M. Di Mauro, F. A. Aharonian, L. Orusa, F. Donato, S. Gabici, S. Manconi, Physical Review D 104, 123017 (2021), DOI: 10.1103/PhysRevD.104.123017


Kontakt

Prof. Dr. Jim Hinton
Tel.: +49 6221 516-140
E-Mail: jim.hinton@mpi-hd.mpg.de

Prof. Dr. Felix Aharonian
Tel.: +49 6221 516-485
E-Mail: Felix.Aharonian@mpi-hd.mpg.de


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Die Pulsare Geminga und PSR B0656+14 mit ihren Nebeln und Halos, gesehen von HAWC im sehr hochenergetischen Gammalicht.