Nachrichten-Archiv 2016
Die Massen von 52g,52mCo konnten von X. Xu et al. mit einer bislang für kurzlebige Nuklide unerreichten Genauigkeit von ~10 keV
mittels isochroner Massenspektrometrie am Cooler-Storage Ring an der Heavy Ion Research Facility in
Lanzhou (HIRFL-CSR ),
China, gemessen werden. Damit wurde eine neue Bestimmung des niedrigsten T=2, Jπ=0+ Isobar-Analog-Zustands
(isobaric analog state, IAS), in 52Co möglich. Die aus dem neuen Energiewert des IAS in 52Co abgeleiteten Massen
des T=2 Multipletts sind konsistent mit der quadratischen Form der Isobaric Multiplet Mass Equation (IMME).
Die neuen Ergebnisse wurden kürzlich in Physical Review Letters veröffentlicht. Sie sind für das bessere Verständnis der
Eigenschaften des β-Zerfalls von 52Ni von Bedeutung und stellen die konventionelle Bestimmung von Isobar-Analog-Zuständen über
beta-verzögerte Protonenemissionen in Frage.
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Ionenspeicherringe sind einzigartige Werkzeuge zur Erforschung der Eigenschaften und Wechselwirkungen atomarer
und molekularer Ionen. Sie können zur Untersuchung der astrophysikalisch relevanten dissoziativen Rekombination
molekularer Ionen mit Elektronen sowie der Entregung interner Zustände in atomaren Ionen und in kleinen bis sehr
großen molekularen Systemen eingesetzt werden. Als Ergänzung zu den bisher meist verwendeten magnetischen
Speicherringen sind auch elektrostatische Speicherringe sehr vorteilhaft für diese Studien.
Elektrostatische Ringe weisen keine Begrenzung für das Masse-zu-Ladungs-Verhältnis der gespeicherten Teilchen bei
einer gegebenen Energie auf. Daher erlauben sie die experimentelle Untersuchung der Ionen schwerer Atome und
Moleküle und sogar von Clustern sowie großen Biomolekülen. Der elektrostatische Betrieb vergrößert somit die
Forschungsmöglichkeiten für atomare und molekulare Physik in Ionenspeicherringen beträchtlich.
In einem kürzlich in Review of Scientific Instruments veröffentlichten Artikel berichten R. von Hahn et al. über die Entwicklung, den Aufbau und den ersten Einsatz des neuartigen kryogenen elektrostatischen Speicherrings CSR, dessen offizielle Einweihung im Mai 2016 am MPIK in Heidelberg stattfand.
Im Jahr 2005 wurde ein neuartiger Speicherring für Kollisions- und Laser-Wechselwirkungs-Untersuchungen über lange
Speicherzeiten mit schnellen Atom-, Molekül- und Cluster-Ionenstrahlen vorgeschlagen. Daraufhin wurde am MPIK in den
vergangenen Jahren für diesen besonderen Einsatzbereich der CSR entwickelt und aufgebaut.
Von den konzeptionellen Zielen ausgehend, wird im Übersichtsartikel das Layout des Systems diskutiert, insbesondere
sein ionenoptisches, kryogenes und mechanisches Design. Der CSR wurde dazu entworfen, ein breites Spektrum an
experimentellem Equipment aufnehmen zu können.
Im März 2014 wurde der Speicherring (Umfang 35 m) in Betrieb genommen und ein 40Ar+ Ionenstrahl bei Raumtemperatur
in ihm gespeichert. Im Jahr 2015 wurde der CSR dann erstmals bei kryogenen Temperaturen betrieben. Er wurde erfolgreich
auf ~6 K gekühlt und es gelang, Anionen- und Kationen-Strahlen im Energiebereich von 60 keV bis zu etwa eine Stunde
lang zu speichern. Beispielsweise wurden Hydroxidionen (OH-) auf Temperaturen wie im interstellaren Raum abgekühlt und
für mehrere Minuten im CSR gespeichert.
Die beobachteten Lebensdauern der Ionenstrahlen sind bei weitem ausreichend, um die meisten der beabsichtigten Experimente
zur Atom-, Molekül- und Clusterphysik durchführen zu können. Für Molekülionen hoher Masse wie die Silber-Dimere Ag2-
wurde sogar eine mittlere Lebensdauer von 45 Minuten für die gespeicherten Ionen gemessen. Das ionenoptische Layout des
CSR ermöglicht für künftige Experimente eine Erhöhung der Strahlenergie für einfach geladene Ionen auf 300 keV.
Die im Artikel diskutierte ausführliche Untersuchung der Performance des CSR sowie das kürzlich durchgeführte erste Experiment mit einem organischen interstellaren Molekülion (CH+) zeigen, dass dieser neuartige elektrostatische Speicherring ein leistungsstarkes Instrument für ein breites Spektrum an physikalischen Experimenten mit schnellen Atom-, Molekül- und Cluster-Ionenstrahlen sein wird. Dies insbesondere über lange Beobachtungszeiten in einer kryogenen Umgebung und bei extrem niedriger Restgasdichte (unter 140 cm−3, einem Druck unter 10−14 mbar bei Raumtemperatur entsprechend).
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Bitte lesen Sie auch die Pressemeldung des MPIK .
Protonen und Neutronen besetzen in Atomkernen Quantenniveaus, die durch Energielücken voneinander
getrennt sind. Diese Beobachtung hat zur Entwicklung des einfachen Schalenmodells geführt, welches
erfolgreich die Kernstruktur nahe des Tals der Stabilität beschreibt. Durch die Entwicklung von
Beschleunigern und Isotopen-Separatoren wurden allerdings zunehmend exotischere Isotope fernab der Stabilität
experimentell verfügbar, durch deren Untersuchung interessante neue Kernstruktur-Phänomene aufgedeckt
werden können. Beobachtungen, wie etwa die Koexistenz unterschiedlicher Kernformen in der Nähe von
abgeschlossenen Protonen- oder Neutronenschalen, stellen eine Herausforderung für das Bestehen der
etablierten "magischen Zahlen" des Standardmodells dar und führen zu theoretischen Verbesserungen.
Ein Beispiel ist das Konzept der "Form-Koexistenz", gemäß dem normale nahezu sphärische und deformierte
Strukturen im Atomkern bei niedriger Energie koexistieren. Die deformierten Strukturen, die
sogenannten Intruder-Konfigurationen, treten als "Mehr-Teilchen - Mehr-Loch" (mp-mh) Anregungen von
Protonen oder Neutronen über eine "abgeschlossene" Schalenlücke auf. Form-Koexistenz bei niedriger
Energie findet man im gesamten Bereich der Nuklidkarte und zwar immer entlang abgeschlossener Schalen
und fernab von den doppelt magischen Isotopen.
Experimentelle Belege für Form-Koexistenz wurden beispielsweise bereits entlang von N = 20, entlang
von N = 28 sowie entlang der Unterschalen-Lücke N = 40 gefunden. Entlang der nächsten abgeschlossenen
Neutronenschale N = 50, wurde bislang noch von keinen experimentellen Hinweisen auf eine
Form-Koexistenz berichtet.
Das magnetische Moment μ und insbesondere der zugehörige g-Faktor (g = μ/I) eignen sich sehr gut zur
Untersuchung der Einteilchennatur von Kernzuständen, während die Isomerieverschiebung Aufschluss
über die mittlere quadratische (rms) Ladungsverteilung von isomeren Zuständen gibt. Die Kombination
beider Observablen ermöglicht die Identifikation und Charakterisierung koexistierender Kernformen.
In einem kürzlich in Physical Review Letters veröffentlichten Artikel berichten X. F. Yang et al.
über die erste Messung der Hyperfeinstruktur (hfs) des Grundzustands und des isomeren Zustands
von 79Zn mittels kollinearer Laserspektroskopie. Die hfs-Messungen wurden mit dem COLLAPS-Setup an
ISOLDE-CERN, Genf, durchgeführt. Es wurde die hfs im 4s4p 3P2 → 4s5s 3S1 Übergang des Grundzustands
und des isomeren Zustands in 79Zn gescannt, um die Kernspins und -momente (bzw. die zugehörigen
g-Faktoren) von 79gZn und 79mZn sowie die Isomerieverschiebung bzw. die Differenz ihrer
mittleren quadratischen Ladungsradien zu bestimmen.
Das beobachtete hfs-Spektrum des isomeren Zustands von 79Zn weist erstmals klar die hohe Lebensdauer des
Isomers mit einer Halbwertszeit von mehr als 200 ms nach.
Die gemessenen hfs-Resonanzen lassen deutlich auf einen Spin I = 9/2 für den Grundzustand sowie auf einen
Spin I = 1/2 für den isomeren Zustand schließen. Das erhaltene magnetische Moment des Grundzustands
von 79Zn, μ (79Zn) = −1.1866(10) μN, bestätigt die Spin-Parität 9/2+ mit einer ν1g9/2-1
Schalenmodell-Konfiguration, in exzellenter Übereinstimmung mit großskaligen Schalenmodell-Theorien.
Das magnetische Moment μ (79mZn) = −1.0180(12) μN bzw. der große negative g-Faktor für das
I = 1/2 Isomer 79mZn passen zu einer positiven Parität und einer 2h-1p Intruder-Konfiguration
(wobei auch mp-mh Konfigurationen, z.B. 4h-3p, nicht ausgeschlossen werden können).
Ein bemerkenswertes Ergebnis der Messungen ist die große Isomerieverschiebung, die für 79mZn gefunden
wurde. Diese belegt eine große Zunahme des mittleren quadratischen Ladungsradius im Vergleich zum
Radius des Grundzustands, was auf eine größere Kerndeformation hinweist. Die große Deformation
lässt sich durch die Intruder (mp-mh) Natur des isomeren Zustands erklären und ist der erste
experimentelle Nachweis von Form-Koexistenz in 79Zn.
Da Form-Koexistenz in der Regel fernab von den doppelt magischen Isotopen auftritt, werfen diese neuen
Ergebnisse die Frage auf, ob es sich bei 78Ni tatsächlich um einen doppelt magischen Kern handelt.
Daher besteht die Notwendigkeit zu weitergehenden theoretischen und experimentellen Untersuchungen in
dieser Region der Nuklidkarte.
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Mehr als 180 verschiedene Moleküle wurden bisher im interstellaren Raum entdeckt, darunter auch komplexe organische Moleküle und geladene Molekülionen. Diese molekulare Vielfalt ist auf den ersten Blick überraschend, da die Bedingungen im interstellaren Raum (sehr tiefe Temperaturen bei gleichzeitig extrem niedrigem Druck) einer aktiven Chemie zu widersprechen scheinen. Die chemischen Reaktionen in den viele Lichtjahre entfernten interstellaren Molekülwolken müssen sich daher deutlich von der uns bekannten irdischen Chemie unterscheiden. Da ihre direkte Untersuchung nicht möglich ist, müssen die Reaktionen theoretisch modelliert werden. Zum Test dieser Modelle wird im Rahmen der Laborastrophysik angestrebt, Simulationsexperimente zur Entstehung und Stabilität interstellarer Moleküle unter Weltraumbedingungen durchzuführen. Unter anderem hierfür wurde am MPIK in den letzten Jahren der neuartige, kryogene, elektrostatische Speicherring CSR (Umfang 35 m) entwickelt und aufgebaut. Im Mai 2015 gelang mittels des CSR erstmals die Speicherung von Hydroxidionen (OH–) und deren Abkühlung auf Temperaturen wie im interstellaren Raum (ca. -265 °C). Damit war die Voraussetzung für künftige Experimente zur Chemie des Weltraums geschaffen.
In einem kürzlich in Physical Review Letters veröffentlichten Artikel berichtet die
CSR Kollaboration gemeinsam mit der ASTROLAB Gruppe um Holger Kreckel über
das erste Experiment mit einem organischen interstellaren Molekülion im ultrakalten
Speicherring CSR. Ein wichtiger Prozess in interstellaren Wolken ist die
Wechselwirkung von Molekülionen mit der UV-Strahlung benachbarter Sterne. Im
CSR-Experiment untersuchten die Forscher das Zerbrechen des Molekülions CH+ durch
ultraviolettes Laserlicht (die sog. Photodissoziation). Hierzu wurde der
gespeicherte CH+-Molekülionenstrahl mit einem gepulsten UV-Laser überlagert und
die in der Photodissoziation freigesetzten neutralen Wasserstoffatome mit einem
Detektor nachgewiesen. Die Dissoziationsschwelle, d. h. die minimale Energie, die
zum Aufbruch der chemischen Bindung zwischen C und H benötigt wird, erlaubt
Rückschlüsse auf den Rotationszustand und damit auf die Temperatur des CH+ Ions in
Abhängigkeit von der Speicherzeit.
Begleitende theoretische Rechnungen zur Photodissoziation nahe der
Dissoziationsschwelle stimmen für die einzelnen Rotationszustände mit den
experimentellen Resultaten sehr gut überein. Mit einer Temperatur von etwa 20 K
konnten die Messdaten am besten modelliert werden. Diese Ergebnisse demonstrieren
eindrucksvoll das Potential des CSR für Experimente mit organischen Molekülionen
unter interstellaren Bedingungen.
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Bitte lesen Sie auch die ausführlichen Pressemeldungen des MPIK bzw. des idw .
Die Nukleonen (Protonen und Neutronen) besetzen in Atomkernen Quantenniveaus, die durch Energielücken
voneinander getrennt sind. Dies führt zu einer einfachen Schalenstruktur, vergleichbar mit den wohlbekannten
Elektronenschalen der Atome. Die Protonen- und Neutronenschalen des Kerns sind voneinander unabhängig.
Jede Schale kann eine bestimmte maximale Anzahl von Protonen bzw. Neutronen aufnehmen. Vollständig
gefüllte Schalen definieren die so genannten "magischen" Protonen- und Neutronenzahlen 2, 8, 20, 28, 50,
82 und 126 im Falle der Neutronen. Kerne mit magischer Protonen- oder Neutronenzahl haben sich als stabil herausgestellt,
die doppelt magischen Kerne mit magischer Protonen- und Neutronenzahl sind besonders stabil. Beispiele
doppelt magischer Kerne sind 4He, 16O, 40Ca, 48Ca und 208Pb.
Die Calcium-Isotopenkette stellt ein einzigartiges System von Kernen dar, an dem sich sehr gut untersuchen
lässt, wie die Protonen und Neutronen im Atomkern wechselwirken. Calcium (Z=20) ist das einzige Element,
das mit 40Ca und 48Ca zwei stabile doppelt magische Isotope besitzt. Darüber hinaus legen jüngste
experimentelle Hinweise nahe, dass auch die beiden kurzlebigen Calcium-Isotope 52Ca und 54Ca doppelt
magisch sind. Dies würde zeigen, dass Schaleneffekte fernab des Tals der Stabilität nicht verschwinden.
Der Radius einer gedachten Kugel, in der die Protonen konzentriert sind, wird als
Kernladungsradius bezeichnet. Für die Kerntheorie ist es immer noch eine Herausforderung, die Entwicklung
der Ladungsradien der bekannten Calcium-Isotope vorherzusagen und bislang gibt es hierfür noch keine
mikroskopische Beschreibung. Dem Schalenmodell zufolge müssten die Ladungsradien in den doppelt magischen
Isotopen 52Ca und 54Ca wegen der zunehmenden Bindungsenergie je Nukleon abnehmen
(siehe: F. Wienholtz et al., Nature 498, 346–349 (2013) ).
Folglich ist es wichtig, die Ladungsradien dieser radioaktiven Calcium-Isotope zu messen und damit das
Kernschalenmodell an exotischen Kernen zu überprüfen und einen Einblick in die Entwicklung der Schalenstruktur
sowie ihres Einflusses auf die Grenzen der Stabilität zu erhalten. Die unterschiedliche Kerngröße
zweier Isotope führt zu einer größeren Verschiebung der atomaren Hyperfeinstrukturniveaus. Über die
Messung dieser so genannten Isotopieverschiebung lässt sich somit die Änderung der mittleren quadratischen
Kernladungsradien bestimmen.
Die bisherigen experimentellen Daten zu den Calcium-Isotopen legen eine Größenzunahme bzw. -abnahme ihrer
Ladungsradien beim Wechsel zwischen ungeraden und geraden Neutronenzahlen nahe. Außerdem wird für das
möglicherweise doppelt magische 52Ca eine signifikante Abnahme des Ladungsradius erwartet.
In einem kürzlich in "Nature Physics" veröffentlichten Artikel berichten R. F. Garcia Ruiz et al. von
der Bestimmung der Änderungen in den Ladungsradien der 40-52Ca Isotope sowie den ersten Messungen der
Ladungsradien von 49,51,52Ca am ISOLDE
on-line Isotopenseparator am CERN in Genf. Die experimentelle
Bestimmung der Ladungsradien dieser drei Calcium-Isotope hatte die Klärung grundlegender
Fragen zur Größe von Atomkernen und ein besseres Verständnis des möglicherweise doppelt magischen
52Ca zum Ziel.
Die experimentelle Realisierung der Messungen ist mit zwei großen Anforderungen konfrontiert, der
extrem kleinen Isotopieverschiebung sowie den sehr niedrigen Produktionsraten und kurzen Lebensdauern
der exotischen Kerne. Deshalb musste die experimentelle Sensitivität weiter verbessert werden, ohne dabei
die benötigte hohe Auflösung zu opfern. An ISOLDE wurde hochauflösende kollineare Laserspektroskopie mit
gebunchten Ionenstrahlen eingesetzt. Hierzu wurde insbesondere die Empfindlichkeit des Photonennachweises
weiter optimiert und Photonen-Hintergrundereignisse reduziert. Dadurch konnte bei der hochauflösenden
Untersuchung kurzlebiger Calcium-Isotope eine um zwei Größenordnungen verbesserte Empfindlichkeit
erzielt werden. Zudem wurde bei der Messung von 52Ca eine der bislang höchsten Empfindlichkeiten für
Fluoreszenznachweise erreicht.
An COLLAPS , einer Beamline für kollineare Laserspektroskopie, wurden die Calcium-Ionen
zum Scannen der Hyperfeinstruktur (hfs) im 4s 2S1/2 → 4p 2P3/2 Übergang von Ca+ mittels
Doppler-Tuning der Laserfrequenz mit den Strahl eines Dauerstrich-Lasers überlagert. Die
Isotopieverschiebungen wurden aus den experimentellen hfs-Spektren extrahiert und ermöglichten die
Bestimmung der zugehörigen mittleren quadratischen (rms) Ladungsradien.
Die experimentellen Ergebnisse liefern eine erheblich kleinere Zunahme des rms-Ladungsradius von 49Ca gegenüber 48Ca (δ<r2>48,49 = 0.097(4) fm2) als bisher angenommen wurde (δ<r2>48,49 ≥ 0.5 fm2). Der Anstieg der Ladungsradien setzt sich in Richtung 52Ca (N=32) fort, das einen sehr großen Ladungsradius aufweist. Die Zunahme seines Ladungsradius gegenüber 48Ca beträgt δ<r2>48,52 = 0.530(5) fm2. Da bisher angenommen wurde, dass das kurzlebige 52Ca ein neuer doppelt magischer Kern sein könnte, wurde ein viel kleinerer Kernladungsradius erwartet.
Die neuen experimentell bestimmten Ladungsradien der exotischen neutronenreichen Calcium-Isotope
wurden mit den Ergebnissen von ab initio Berechnungen basierend auf optimierten Wechselwirkungen der
chiralen effektiven Feldtheorie (EFT) sowie weiteren theoretischen Vorhersagen verglichen. Die
ab initio Berechnungen sagen für 50,52Ca einheitlich eine Zunahme in den Ladungsradien voraus, können
die experimentellen Daten allerdings nicht beschreiben. Insbesondere schätzen alle aktuellen
Modellberechnungen den großen Ladungsradius von 52Ca deutlich zu klein ein. Selbst ab initio
Berechnungen, die den Einfluss von Core Breaking Effekten einschließlich der Kopplung an die
Neutronen berücksichtigen, können seine Größe nicht erklären. Eine möglicher Grund für diese
theoretischen Defizite ist, dass sie deformierte Intruder-Zustände nicht berücksichtigen, die bei
komplexen Nukleonen-Konfigurationen auftreten können.
Eine vereinheitlichte Beschreibung des Atomkerns muss solche Effekte mit einschließen, um den
unerwartet großen Ladungsradius von 52Ca erklären zu können und unser allgemeines Verständnis
der Entwicklung der Kerngrößen fernab der Stabilität zu verbessern. Die zurzeit geplanten und
vorbereiteten experimentellen Untersuchungen von Isotopen, die noch weiter vom Stabilitätstal
entfernt sind, darunter insbesondere der möglicherweise doppelt magische Kern 54Ca mit einer
abgeschlossenen Unterschale bei der Neutronenzahl 34, werden die benötigten experimentellen
Daten zu diesen neutronenreichen exotischen Atomkernen liefern.
Weitere Informationen finden Sie im "Nature Physics" Artikel ... >
Ausführliche Informationen auch in den Pressemitteilungen des MPIK , der TU Darmstadt und des idw .
Weitere Links:
- Pressemeldung von Pro-Physik
- CERN Updates: Has the magic gone from Calcium-52?
- Nachricht von CHEMIE.DE
- Nachricht der University of Tennessee
- Nachricht von LABO ONLINE
- Nachricht von Phys.org
- Nachricht von Technology.org
- innovations-report Nachricht
- Schattenblick Nachricht
Die meisten Kernzustände sind komplex und ihre theoretische Beschreibung muss deshalb diese Komplexität durch verschiedene einfache Konzepte wie z. B. Schalenstruktur, Paarbildung, "magische" Zahlen und Deformation reduzieren. Bei Kernen in der Nähe von Schalenabschlüssen könnten jedoch aufgrund des Aufbruchs der sphärischen Symmetrie einfache Strukturen auftreten. Ein Kandidat ist Cadmium, welches eine offene Schale mit zwei Protonen weniger als die magische Zahl Z = 50 besitzt. Die Cadmium-Isotopenreihe von 111-129Cd scheint ein solches Beispiel für strukturelle Einfachheit zu liefern.
In einem kürzlich in Physical Review Letters veröffentlichten Artikel berichten D. T. Yordanov et al.
über die erste Bestimmung der Isomerieverschiebungen in 111-129Cd mittels hochauflösender Laserspektroskopie.
Die kollineare Laserspektroskopie an den neutronenreichen Cadmium-Isotopen in Richtung der magischen N = 82 Schale
wurde an der CERN-ISOLDE Anlage in Genf durchgeführt. Dabei waren die ungeraden neutronenreichen
Cadmium-Isotope von Interesse, deren langlebige isomere Zustände als Strahlkomponente leicht verfügbar waren.
Die Grundzustände und Isomere wurden im selben Spektrum aufgenommen, wodurch eine direkte Messung der
Isomerieverschiebung unabhängig von den meisten experimentellen Unsicherheiten möglich war.
Da die untersuchten Effekte etwa 3 Größenordnungen kleiner sind als die Hyperfeinstruktur und in den
meisten Fällen deutlich kleiner als die natürliche Linienbreite, konnte die Untersuchung nur mittels
hoher Auflösung realisiert werden.
Der Unterschied zwischen den Kernladungsradien des Grundzustands und des isomeren Zustands lässt
sich aus der Isomerieverschiebung ermitteln. Die Differenzen der mittleren quadratischen Ladungsradien
der 11/2- Isomere und der 1/2+ und 3/2+ Grundzustände in 111-129Cd zeigen eine deutliche
parabelförmige Abhängigkeit als Funktion der Massenzahl. Eine solche klare Abhängigkeit wurde bisher
noch nie beobachtet oder diskutiert. Sie ist bislang nur für die Cadmium-Reihe bekannt, könnte
jedoch auch für andere Kernarten unter dem Einfluss der Unique Parity Orbitale h11/2 oder i13/2
relevant sein.
Des Weiteren wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der entdeckten parabelförmigen Massenabhängigkeit der Isomerieverschiebungen und der bereits früher gefundenen linearen Massenabhängigkeit der 11/2- Quadrupolmomente in 111-129Cd gibt (siehe Nachricht vom 07.05.13). Eine umfassende Beschreibung, die von einer Kerndeformation ausgeht, bestätigt diese vermutete Korrelation. Sie hat sich als geeignet erwiesen, die Unterschiede der Radien in Verbindung mit den bekannten Quadrupolmomenten genau zu reproduzieren. Diese intuitive Interpretation wird durch die Covariant Density Functional Theory (CDFT) gestützt.
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102 Jahre nach dem ersten Entwurf eines quantisierten Elektronenschalenmodells zur Beschreibung des atomaren Aufbaus der Materie durch Niels Bohr, wird die Dynamik von atomar gebundenen Elektronen durch eine der am genauesten getesteten Theorien beschrieben. Diese Theorie, die Quantenelektrodynamik gebundener Zustände (bound-state QED, BS-QED), wurde kürzlich mit bisher unerreichter Präzision getestet. Hierbei wurde eine theoretische Vorhersage mit einer hochpräzisen Messung des g-Faktors des gebundenen Elektrons in wasserstoffähnlichem Silizium verglichen. Dieser Vergleich ergab eine Übereinstimmung von Theorie und Experiment auf bis zu elf signifikante Stellen.
Der g-Faktor beschreibt die Stärke des magnetischen Moments eines Ions. Da eine Vielzahl von Effekten zur Größe seines Werts beitragen, eignet sich der g-Faktor exzellent als Observable zum Test der Theorie.
In einem kürzlich in Nature Communications erschienenen Artikel präsentieren F. Köhler et al. einen direkten Test des Kernrückstoßeffekts, einem der faszinierendsten BS-QED -Beiträge zum g-Faktor gebundener Elektronen. Während der Atomkern für alle anderen Beiträge als feststehende räumliche Ladungsverteilung behandelt wird, berücksichtigt der Rückstoßbeitrag die Beweglichkeit des Kerns im Rahmen komplizierter BS-QED-Berechnungen und gestattet somit die Beobachtung der relativistischen Dynamik des Systems. Die beiden lithiumähnlichen Calcium-Isotope 40Ca17+ und 48Ca17+ besitzen sehr ähnliche Kernladungsradien und einen Massenunterschied von 20%. Der winzige (10-8) Unterschied zwischen ihren g-Faktoren stellt ein einzigartiges Testsystem für den relativistischen Rückstoßbeitrag dar.
Der Test wurde durch die enge Zusammenarbeit dreier verschiedener physikalischer Disziplinen möglich: (1) modernste BS-QED-Berechnungen, (2) hochpräzise Atommassenmessungen und (3) hochpräzise Messungen der Larmor-zu-Zyklotronfrequenz Verhältnisse.
(1) | Theoretiker aus St Petersburg um Vladimir M. Shabaev führten die benötigten BS-QED-Berechnungen durch. Sie verbesserten und erweiterten die aufwendigen theoretischen Näherungen zur Beschreibung lithiumähnlicher Ionen. |
Die g-Faktoren der beiden Calcium-Isotope wurden unabhängig voneinander experimentell bestimmt. Hierfür waren ultrapräzise Messungen ihrer Massen sowie ihrer Larmor-zu-Zyklotronfrequenz Verhältnisse Γ≡νL/νc erforderlich.
(2) | Am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt wurde als Vorbedingung für die experimentelle Bestimmung des g-Faktors die Atommasse von 48Ca auf 10 signifikante Stellen genau bestimmt. Hierzu wurde das Verhältnis der Zyklotronfrequenzen des Massendubletts einfach geladener 48Ca+ Ionen und 12C4+ Kohlenstoffcluster-Ionen mit höchster Präzision mit Hilfe des Penningfallen-Massenspektrometers SHIPTRAP unter Einsatz der neuartigen sog. Phase-Imaging Ion-Cyclotron-Resonance (PI-ICR) Technik gemessen. |
(3) | Beide Larmor-zu-Zyklotronfrequenz Verhältnisse wurden mit höchster Präzision (δΓ/Γ ≈ 5·10-11) am g-Faktor-Experiment für hochgeladene Ionen in Mainz gemessen. Hierbei werden beide Calcium-Ionen nacheinander und einzeln in einem kryogenen Penningfallensystem gespeichert. Der Aufbau beinhaltet drei zylindrische Fallen: (i) Eingebettet in eine Miniatur-Elektronenstrahl-Ionenquelle (EBIS) ermöglichen das angereicherte Calcium-Target und die Erzeugungsfalle (Creation Trap) eine in-situ Produktion beider Calcium-Isotope. (ii) In der Präzisionsfalle (Precision Trap) wird die Zyklotronfrequenz, νc, des Ions bestimmt, indem die Frequenzen aller drei harmonischen Eigenbewegungen gemessen werden. Diese Schwingungen werden über einen supraleitenden Resonator mittels des zerstörungsfreien Nachweises des induzierten Spiegelstroms gemessen. Zeitgleich mit der phasensensitiven Messung der modifizierten Zyklotronfrequenz wird auch die Larmorfrequenz νL in dieser Falle gescannt. (iii) Die hierbei benötigte Detektion des Spinzustandes des Ions wird mit Hilfe des kontinuierlichen Stern-Gerlach-Effekts in einer dritten Penningfalle untersucht. In dieser sog. Analysefalle (Analysis Trap) werden Spin-Quantensprünge aufgelöst, indem das magnetische Moment des Ions über eine starke magnetische Inhomogenität an seine Axialbewegung gekoppelt wird. Der gesamte Messprozess erfordert die Speicherung eines einzelnen Ions über mehrere Monate und somit ein Vakuum, das kleiner als 10-16 mbar ist. |
Die gute Übereinstimmung zwischen dem theoretisch vorhergesagten relativistischen Rückstoßbeitrag und den hochpräzisen g-Faktor-Messungen bildet die Grundlage für eine neue Generation von Tests der BS-QED und ebnet den Weg für weitere grundlegende Messungen in der Atomphysik, z. B. die Bestimmung der Feinstrukturkonstante α über die g-Faktoren gebundener Elektronen schwerer hochgeladener Ionen.
Weitere Informationen finden Sie im "Nature Communications" Artikel ... >
Ausführliche Informationen auch in den Pressemitteilungen des MPIK , des idw und des GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung .