Forschung: GERDA
Die Suche nach dem neutrinolosen Doppelbetazerfall
Neutrinooszillationen, wie sie mit solaren und Reaktorneutrinos untersucht werden, sind sensitiv auf die Unterschiede der Massenquadrate der Neutrinomassen-Eigenzustände (Δm2). Im Gegensatz dazu kann der neutrinolose Doppel-betazerfall Informationen über die die absolute Neutrinomassenskala liefern. Er verletzt die Leptonenzahlerhaltung, was nur möglich ist, wenn Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen (d.h. Majoranateilchen) sind . Die experimentelle Beobachtung einer solchen fundamentalen Teilchen – Antiteilchen Symmetrie würde theoretische Modelle bestätigen, welche die Kleinheit der Neutrinomassen erklären, und Aufschluss über den Mechanismus geben, der die aktuelle Materiedominanz des Universums bewirkt.
Das GERmanium Detector Array (GERDA), das nach dem neutrinolosen Doppelbetazerfall von 76Ge sucht, ist in der finalen Konstruktionsphase im Laboratori Nazionali del Gran Sasso, INFN, Italien. Es implementiert ein neuartiges Abschirmkonzept, bei dem nackte Ge-Dioden - angereichert an 76Ge - in hochreinem flüssigem Argon betrieben werden und das von einem Wasserschild vervollständigt wird. Das Ziel von GERDA ist in einer ersten Phase, die aktuelle Behauptung der Entdeckung des neutrinolosen Doppelbetazerfalls zu bestätigen oder zu widerlegen. In einer zweiten Phase soll ein Untergrund von 1·10-3 cts/(kg·keV·years) bei Qββ erreicht werden, was zwei Größenordnungen geringer ist als bei aktuellen Experimenten. Nach einer Exposition von 100 kg Jahren und dem genannten Untergrundindex ist es mö eine Halbwertszeit bis zu 2·1026 Jahren mit 90% C.L. zu testen, welches einef effektiven Neutrinomasse von <0.09-0.29 eV entspricht. Der experimentelle Aufbau des GERDA-Experiments dient auch dazu, die experimentellen Techniken für ein mögliches zukünftiges Experiment auf Tonnenskala mit einer Sensitivität im 10 meV Massenbereich zu entwickeln und zu testen.
Mit der Auslieferung des low-background Edelstahlkryostaten am 6. März 2008 in die Halle A des LNGS begann der experimentelle Aufbau von Gerda. Die Installation des Wassertanks startete im April und war im Juli abgeschlossen. Anschließend wurde das Gerda-Gebäude errichtet und der Reinraum wurde im Frühjahr 2009 fertiggestellt. Ein künstlerischer Blick auf die GERDA-Installation ist in dem untenstehenden Bild gezeigt.
Abbildung 1: GERDA in dem Laboratori Nazionali del Gran Sasso nahe Rom.
Phase I von
GERDA umfasst den Einsatz von ungefähr 18 kg angerei-cherter
76Ge-Detektoren, welche in den vorhergehenden Experimenten Heidelberg-Moscow und IGEX genutzt wurden, sowie 15 kg natürlicher Ger-manium-Detektoren. Alle Dioden wur-den erneut bei dem Hersteller auf-gearbeitet und in dem
GERDA Under-ground Detector Laboratory (GDL) am LNGS montiert und charakterisiert. Während in der Phase I gewöhnliche koaxiale p-type Detektoren verwendet werden, ist für die Phase II der Einsatz von neuartigen Detektoren mit verbesserter single-site / multi-site Diskriminierung vorgesehen. Es werden momentan sowohl hochsegmentierte n-type als auch unsegmentierte BEGe p-type Detektoren in Betracht gezogen und getestet. Zusätzlich wird ein F&E-Programm fortgeführt, um die simultane Detektion von Szintillationslicht des flüssigen Argons zu untersuchen, welches als kryogenes Kühl- und Abschirmmedium dient. Hierdurch ist es möglich, Untergrundereignisse zu identifizieren und zu diskrimieren, die einen Teil ihrer Energie in dem flüssigen Argon verlieren.
Um die anspruchsvollen Anforderungen an den Untergrund zu erfüllen, wurden alle Detektorkomponenten auf die Einhaltung festgelegter Grenzen radioaktiver Reinheit geprüft. Wesentliche Anstrengungen gingen deshalb in die Materialauswahl und Qualitätskontrolle durch low-level Gammaspektrometrie mit Germaniumkristallen und Radonemanationsmessungen aller Detektorkomponenten. Eine wesentliche Herausforderung ist die erforderliche geringe Radonemanationsrate des Kryostaten, der kryogenen Infrastruktur wie auch aller Komponenten des Lock-Systems. Radon, das weit entfernt von dem Detektor-Array produziert wird, kann von seinem Entstehungsort zu den Germaniumdetektoren wandern und dort Untergrund-ereignisse erzeugen, welche fälschlicherweise als Signalereignisse identifiziert werden. Der absolute Radoninhalt des in dem mit 70 m3 flüssigem Argon gefüllten Kryostaten sollte einige zehn mBq nicht übertreffen, damit der spezifizierte Untergrundindex nicht überschritten wird. Hierfür wurde folgende experimentelle Technik entwickelt: Der Kryostat wird mit gereinigtem Stickstoff gefüllt, einige Tage später wird ein großes Gasvolumen entnommen und das Radon aus dem Trägergas auf hochreinen Kohlefiltern ausgefroren. Anschließend werden die Radonatome zu miniaturisierten Proportionalzählrohren, welche für das Gallex Sonnenneutrino-Experiment entwickelt wurden, geführt, wo die Alphazerfälle des Radon und seine Progenitoren nachgewiesen werden.
Die Kommisionierung von GERDA und der Start der Datennahme mit den Phase I Detektoren sind für 2009 geplant. Erste physikalische Ergebnisse werden nach ungefähr einem Jahr Datennahme verfügbar sein.
Phase II: Parallel zum Aufbau der ersten Phase des Experiments werden Techniken untersucht und implementiert, um für die zweite Phase verbesserte angereicherte Detektoren nutzen zu können. Hierfür wurden ungefähr 35 kg angereichertes Germanium in Russland produziert. Detektorgeometrie und die Segmentierung werden auf der Basis von detaillierten Messungen und Berechnungen der Felder und Pulsformen optimiert. Ein besonderer Schwerpunkt liegt darauf, die kosmogene Aktivierung der Detektoren durch eine minimale Exposition zu reduzieren. Unabhängig von den Ergebnissen der Phase I ist es sinnvoll, einige der neuen Detektoren zu produzieren und in Betrieb zu nehmen:
Im Falle eines positiven Ergebnisses kann eine präzise Lebensdauermessung erstellt werden, in dem Fall eines negativen Ergebnisses können die Untergrenzen für die Lebensdauer weiter verbessert werden und die Untergrundunterdrückung kann demonstriert werden. Speziell im zweiten Fall würde, die Finanzierung vorausgesetzt, solange angereicherte Detektoren hinzufügt bis der Untergrund anfängt sich zu zeigen.
Am Ende der Phase II bei einer Exposition von > 100 kg*Jahren, wird die Sensitivität T1/2 > 2*1026 Jahren bei 90% C.L. betragen, was einem Bereich der effektiven Neutrinomassen von < 0.09 - 0.29 eV entspricht.
Phase III: Das ultimative Experiment, welches in der Lage wäre, die 10 meV Skala zu erreichen, erfordert O(0.5 t) angereichertes Germanium und stellt einen riesigen Schritt dar, welcher nur im Rahmen einer weltweiten Kollaboration geleistet werden kann, bei der die unterschiedlichen aktuellen Bemühungen zusammengeführt werden. Ein enger Kontakt zu der Majorana-Kollaboration wurden schon aufgebaut, um einen großen Grad an Transparenz zwischen den Kollaborationen zu gewährleisten, um die F&E-Arbeit zu koordinieren und um auf einen Zusammenschluss der Kollaborationen hinzuarbeiten.
Abbildung 2: Eine schematische Darstellung des GERDA-Detektors. Der Detektor wird in LAr getaucht sein, welches in dem super-isolierten Edelstahlkryostaten enthalten ist. Um die Untergrundkomponente, die von den Stahlwänden kommt, zu minimieren, wurden die Innenwände des Kryostaten mit einem zusätzlichen Kupferschild verkleidet. Der Kryostat ist in einen Tank (Wassertank) eingebracht, welcher mit hochreinem Wasser gefüllt ist, damit der Neutronen- und Gammafluss weiter reduziert wird. Die Kabel für die Aufhängung und die Elektronikkabel werden durch den langen Hals im obersten Teil des Kryostaten geführt. Das Wasser wird mit PMTs ausgestattet, um ein Veto für die Myonen zu setzen, die in den Aufbau eindringen. Spezielle Zählrohre werden oberhalb der ganzen Struktur angebracht, um das Myon-Veto zu vervollständigen. Oberhalb des Wassertanks wird ein Gebäude den Reinraum, die Elektronik und die benötigte Infrastruktur enthalten.
Unsere Beteiligung an dem GERDA-Experiment beinhaltet*:
- Die Aufbereitung und Charakterisierung der Detektoren für die Phase I
- Beschaffung und Charakterisierung neuer Detektoren für Phase II
- Aufbau und Inbetriebnahme von LArGe
- Untersuchung und Reduzierung des Untergrunds
- Entwicklung einer Lichtinstrumentierung für Phase II
- Bestimmung der Materialaktivität
- Datennahme und Analyse
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* Beachten Sie, dass zwei Gruppen des MPIK an GERDA beteiligt sind: Die Gruppe von Prof. Lindner und die Gruppe von Prof. W. Hoffmann.
Referenzen
[1] GERDA Collab. 2004, Proposal to the LNGS P38/04
[2] Klapdor-Kleingrothaus H V et al 2004 Nucl. Inst. Meth. A 522 371
Weitere Informationen können der
Internetseite der Kollaboration entnommen werden.
Publikationen bezüglich GERDA finden Sie unter dem Menüpunkt 'Publikationen' auf dieser Internetseite.
Kontact:
- Prof. Dr. Manfred Lindner
Tel:06221 516800
E-Mail: manfred.lindner@mpi-hd.mpg.de