Abteilung für Teilchen- & Astroteilchen-Physik
 
 

Forschung: NUCIFER

Urpsrüngliche Motivation

Die grosse Menge von Elektronantineutrinos, die in Kernreaktoren produziert werden enthalten Informationen zur Isotopenzusammensetzung im Reaktorkern und über seine thermische Leistung. Prinzipiell könnten Antineutrinodetektoren daher zur Sicherheitsüberwachung verwendet werden. Das NUCIFER Projekt [1] prüft in erster Linie mögliche Anwendungen von Neutrinodetektoren zur Reaktorüberwachung und im Bereich der Non-Proliferation. So kann beispielsweise eine gemessene Änderung des Antineutrinospektrums auf die Entfernung von grösseren Plutonium-Mengen vom Reaktorkern hindeuten. Im Oktober 2008 wurde das NUCIFER Experiment der IAEA (International Atomic Energy Agency) vorgeschlagen [2]. Damit ein Antineutrinodetektor in der Nähe (ca. 10 m) eines Reaktorkerns betrieben werden kann, sollte er kompakt, ferngeregelt, sicher und beweglich gebaut werden können. Der NUCIFER Detektor wird derzeit am OSIRIS Forschungsreaktor am CEA Saclay in Frankreich eingesetzt.

Gibt es sterile Neutrinos?

Kürzlich tauchte eine zusätzliche mögliche Anwendung für dieses Experiment auf, die weitreichende wissenschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Das NUCIFER Experiment könnte eine Reaktoranomalie, die in den Daten von verschiedenen Reaktorexperimenten an unterschiedlichen Orten entdeckt wurde, genauer untersuchen. Der gemessene Antineutrinofluss beträgt nur etwa 94% des theoretisch vorhergesagten Flusses [3]. Bis jetzt konnte noch nicht geklärt werden, ob diese Diskrepanz durch Umwandlungen in sterile Neutrinos zustande kommt oder die Ursache in bisher unberücksichtigten Effekten bei den experimentellen Messungen bzw. den theoretischen Berechnungen liegt.

Detektor Funktion

Das Detektortarget besteht aus 850 Liter eines Gadolinium beladenen Flüssigszintillators, der in einen zylindrischen Stahlbehälter gefüllt ist. Wie in anderen Reaktorneutrinoexperimenten, z.B. Double Chooz, werden die Neutrinos über den inversen Betazerfall an Wasserstoffatomen des Targetszintillators nachgewiesen. Aus dieser Reaktion entsteht ein Koinzidenzsignal (wenige Mikrosekunden voneinander getrennt) aus einem prompten (Positronenergie) und einem verzögerten (Neutroneinfang am Gadolinium) Ereignis. Das Szintillationslicht, das in diesem prompten und verzögerten Signal produziert wird, wird von 16 PMTs an der Detektoroberseite detektiert. Zwischen den PMTs und der Targetflüssigkeit befindet sich eine 25 cm dicke Acrylscheibe. Als Abschirmung gegen radioaktive Strahlung, im wesentlichen aus dem nahen Reaktor, wird der Detektor durch eine Polyethylen- (15 cm) und Bleischicht (10 cm) geschützt. Schliesslich wird der Detektor durch ein aktives Veto bestehend aus 5 cm dicken Platten aus Plastikszintillator komplettiert. Das Datennahmesystem setzt sich aus kommerziellen VME und NIM Modulen zusammen und wird über ein Software Interface betrieben, das auf LabView basiert. Der Detektor wird regelmässig kalibriert, um die Eigenschaften und die Stabilität zu prüfen.

NUCIFER am MPIK

Das MPIK stellt die Gadolinium beladene organische Targetflüssigkeit für das NUCIFER Experiment her. Die Hauptschwierigkeit in der Entwicklung von metallbeladenen Flüssigszintillatoren liegt darin, die Langzeitstabilität der optischen Eigenschaften wie Lichtausbeute und Transparenz zu gewährleisten. Es wurden ähnliche Methoden wie bei der erfolgreichen Produktion des Double Chooz Targetszintillators [4] eingesetzt und identische Komponenten verwendet. Die Konzentrationen der individuellen Komponenten wurden angepasst, um die Unterdrückung von Untergrundereignissen in NUCIFER zu optimieren. Speziell wurde die Targetflüssigkeit so geändert, dass sie Untergrundreduktion durch Pulsformanalysen erlaubt und die Koinzidenzzeit des Neutrinosignals wurde durch eine erhöhte Gadoliniumkonzentration verkürzt. UnsereAbteilung wird darüber hinaus auch zur Datenanalyse des Experiments beitragen, speziell im Bereich, der sich mit der Suche nach sterilen Neutrinos beschäftigt.

Zukünftige Ziele

Später könnte der NUCIFER Detektor möglicherweise an einem kommerziellen Kernreaktor zur Energieproduktion in Frankreich eingesetzt werden. Zur Suche nach sterilen Neutrinos sind bereits neue Detektoren in Planung, die auf diese Fragestellung optimiert sind. Diese werden auf dem Detektordesign und den Ergebnissen des Nucifer Experiments aufbauen können.


Referenzen

[1] A. Porta for the NUCIFER collaboration, "Reactor Neutrino Detection for Non Proliferation with the NUCIFER Experiment", IEEE proceedings, 10.1109/ANIMMA.2009.5503653 (2009).
[2] Focused Workshop on Antineutrino Detection for safeguard Applications, Final Report of IAEA Workshop, IAEA Headquarters, Vienna (2008).
[3] G. Mention et al., Phys. Rev. D83, 073006 (2011).
[4] C. Aberle et al., JINST, 7, P06008 (2012).


Kontakt:

  • Dr. Christian Buck
    Tel: 06221 516829
    E-Mail: Christian.Buck@mpi-hd.mpg.de
  • Prof. Dr. Manfred Lindner
    Tel:06221 516800
    E-Mail: manfred.lindner@mpi-hd.mpg.de
 
 


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