Abteilung für Teilchen- & Astroteilchen-Physik
 
 

Research: Dunkle Materie


Die Natur der Dunklen Materie sowie ihr Ursprung gehören zu den spannendsten Rätseln der Hoch­en­er­gie­phy­sik, Kosmologie und Astrophysik. Zahl­reiche astrophysikalische Beobachtungen wie zum Beispiel die Bewegung von Sternen in Galaxien oder die Verteilung großskaliger Strukturen im Universum können nicht ohne die Existenz nicht-leuchtender schwerer Materie erklärt werden, die den Großteil der gravitierenden Masse ausmacht. Diese Beobachtung wurde durch die Untersuchung der Kosmischen Hintergrundstrahlung, d.h. den Überresten an Photonen aus der Zeit des Urknalls, durch die WMAP und Planck Satelliten bestätigt. Heute wissen wir, dass etwa 80% der Materie in unserem Universum aus einer unbekannten "dunklen" Art von Materie besteht, die auf keiner Wellenlänge Licht emittiert. Natur und Ursprung dieser Dunklen Materie sind bisher nicht verstanden und bilden eine der größten Herausforderungen der modernen Physik. Um das Rätsel um die Dunkle Materie zu lösen, verfolgen Physiker verschiedene Ansätze, welche auf Me­thoden der Astrophysik, Kosmologie und Teil­chen­phy­sik beruhen. Mitglieder des MPIK beteiligen sich an dieser Suche sowohl im theo­retischen als auch im experimentellen Bereich.
Anhand von Beobachtungen aus der Kosmologie können wir auf einige grundlegende Eigenschaften der Dunklen Materie zurücksckließen. Jedoch er­mö­gli­chen sie uns nicht die Interaktionen von Dunkler Materie mit der uns bekannten Materie zu identifizieren. Es existieren verschiedenen Hypothesen bezüglich der Natur der Dunklen Materie, welche untersucht werden.

Die Zusammensetzung des Universums
Abb. 1: Zusammensetzung des Universums: Gezeigt sind die Beiträge von Dunkler Energie, Dunkler Materie und gewöhnlicher Materie bestehend aus Teilchen des Stan­dard­mo­dells der Elementarteilchenphysik.

Thermische Dunkle Materie

Eine Möglichkeit, die von vielen Erweiterungen des Stan­dard­mo­dells der Teilchenphysik vorhergesagt wird, sind Teil­chen, welche nur schwach mit Teilchen des Stan­dard­mo­dells interagieren. Solche Szenarien sagen im Allgemeinen eine Menge an Dunkler Materie voraus, die mit den Beobachtungen gut übereinstimmen. Diese Art Dunkler Materie ist besonders interessant, da sie zusätzlich einige experimentelle Signaturen mit sich bringen, die genutzt werden können, um nach Dunkler Materie zu suchen.

  • Die Streuung von Dunkler Materie an normaler Materie. Dieser Prozess kann durch direkte De­tek­tions­experimente, wie LUX, XENON1T, DarkSide-50 oder PandaX untersucht werden. Um den notwendigen niedrigen Untergrund für solche Experimente zu erzielen, befinden sich diese meist in Laboren tief unter der Erde. Sie zielen darauf ab, den Rückstoß eines Atomkerns, der von einem Dunkle Materie Teilchen getroffen wird, zu beobachten.

  • Die Annihilation Dunkler Materie im heutigen Universum. Dieser Prozess erzeugt hoch­en­er­getische kosmische Strahlung, nach welcher mithilfe von Gam­mastrahlungs-Teleskopen, Detektoren zur Suche nach geladenen kosmischen Teilchenstrahlen oder Neu­tri­nodetektoren wie dem am Südpol ge­le­genen IceCube Detektor gesucht werden kann.

  • Die Produktion Dunkler Materie auf der Erde. Hoch­en­er­gie­beschleuniger wie der Large Hadron Collider (LHC) am CERN erzeugen Bedingungen, unter welchen schwere Teilchen im Labor erzeugt werden können. Die Ex­pe­ri­mente ATLAS, CMS und LHCb suchen in ihren Daten nach Anzeichen für die erzeugung von Dunkler Materie.

Nachweis von WIMP Dunkler Materie Abb. 2: Mögliche Interaktionen zwischen dunkler Materie und Teilchen des Stan­dard­mo­dells

In einem gegebenen Modell sind die je­wei­li­gen Si­gnal­stär­ken in diesen drei Be­ob­ach­tungs­ka­nä­len (siehe Abb. 2) mit­ei­nan­der ver­bun­den. Es sind de­tail­lier­te theo­re­ti­sche Vor­her­sa­gen not­wen­dig, um das volle Po­ten­tial der Ex­pe­ri­men­te aus­nut­zen zu können. Zusätzlich kann die theoretische Einsicht weitere mögliche Signaturen Dunkler Materie aufdecken, die genutzt werden können, um neue Methoden zur Suche nach thermischer Dunkler Materie zu entwickeln. Obwohl diese Klasse der Dunklen Materie Kandidaten sehr attraktiv ist, ist es wichtig auch weitere Möglichkeiten als Dunkle Materie Kandidaten in Betracht zu ziehen.

Nicht-thermische Dunkle Materie

Eine weitere Klasse Dunkler Materie Kandidaten mit einer vollkommen anderen Phä­no­me­no­lo­gie ist die der nicht-ther­mi­schen Dunklen Materie wie zum Beispiel sterile Neu­tri­nos oder FIMPs. Solche Teilchen sind nur äußerst schwach an Teilchen des Stan­dard­mo­dells gekoppelt und erreichen so niemals ein thermisches Gleichgewicht in unserem Universum. Dunkle Materie dieser Art führt zu deutlich anderen Signalen wie:

  • sterile neu­tri­no decay Abb. 2: Ein möglicher Zerfall eines sterilen Neu­tri­nos N in ein Stan­dard­mo­dell Neu­tri­no und ein Photon.

    Der Zerfall Dunkler Materie: Sterile Neu­tri­no Dunkle Materie ist nicht stabil und zerfällt äußersts langsam in Neu­tri­nos und Photonen des Stan­dard­mo­dells. Nach diesen Photonen kann mithilfe von Gammastrahlen-Teleskopen gezielt gesucht werden. Derzeit gibt es äußerst faszinierende Hinweise auf die Existenz von 7 keV sterilen Neu­tri­nos beruhend auf Beobachtungen von Galaxienhaufen durch das XMM-Newton Teleskop.

  • Langlebige Teilchen: Nicht-thermische Dunkle Materie wird typischerweise begleitet von einem weiter ausgedehnten dunklen Sektor. Das leichteste der neuen Teilchen dieses dunklen Sektors ist im Allgemeinen sehr langlebig, falls die dunkle Materie durch sog. Freeze-in produziert wird. Mithilfe von Proton-Proton Kollisionen am LHC könnten diese Teilchen auf der Erde produziert werden. Sie sind daher eines der primären Ziele zur Erforschung durch die ATLAS und CMS Kollaboration.

  • Astrophysikalische Beschränkungen: Der Ein­fluss nicht-thermischer Dunkler Materie auf die Strukturbildung im Universum unterscheidet sich von der der minimalen kalten und kollisionslosen Dunklen Materie, deren Existenz im Stan­dard­mo­dell der Kosmologie angenommen wird. Astrophyisikalische Beobachtungen können daher genutzt werden, um Strukturen auf Skalen zu Untersuchen, die für nicht-thermische Dunkle Materie relevant ist.

Diese Signale vorherzusagen ist eine große Herausforderung, welche sowohl ein detailliertes Verständniss der Dynamik des frühen Universums als auch der experimentellen Möglichkeiten erfordert. Die Theoriegruppe des MPIK beteiligt sich an diesem Forschungsfeld und trägt mit neuen Vorhersagen experimenteller Signaturen zu der Suche nach Dunkler Materie bei. Zusätzlich sind wir aktiv in der Suche nach neuen Pro­duk­tions­me­cha­nis­men und erforschen die Korrelationen zwischen Beobachtungen der Astrophysik und im Labor.

 
 


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