Mit den H.E.S.S.-Gammastrahlen-Teleskopen in Namibia konnten Astrophysiker erstmals sehr hochenergetische Gammastrahlung von zwei recht weit entfernten Quasaren (aktiven Galaxien) messen. Aus diesen Messungen folgt, dass das Universum transparenter für diese Art Gammastrahlung ist, als man bisher angenommen hat. Diese Gammastrahlung (siehe Feld rechts) wird von den gewaltigsten Objekten im Universum erzeugt. Auf ihrem langen Weg von fernen Orten zur Erde werden sie absorbiert, wenn sie mit einem "normalen" Photon etwa im sichtbaren oder infraroten Wellenlängenbereich zusammentreffen. Dieser Hintergrund oder Nebel aus Licht erfüllt das gesamte Universum und ist ein Überrest all des Lichts, das im Universum während dessen gesamten Alters jemals ausgestrahlt wurde. Und zwar Licht von der Entstehung der allerersten Sterne und Galaxien bis in die heutige Zeit. Die Astrophysiker nutzten die fernen Quasare als Sonden und studierten, wie jenes fossile Licht die Energieverteilung der Gammastrahlung modifizierte. Daraus folgte eine Obergrenze für die Menge des Lichts, die deutlich niedriger ausfällt, als in bisherigen Abschätzungen erwartet wurde. Das Ergebnis, das am 20. April im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht wurde, hat nachhaltige Konsequenzen auf unser Verständnis der Galaxienbildung und -entwicklung und erweitert den sichtbaren Horizont des Gammastrahlen-Universums.
Gammastrahlung: Gammastrahlung ist elektromagnetische Strahlung, wie auch sichtbares Licht oder Röntgenstrahlung, jedoch mit einer viel höheren Energie. Sichtbares Licht hat eine Energie von etwa einem Elektronenvolt (1 eV), einer von Physikern benutzten Einheit. Röntgenstrahlen haben etwa eintausend bis eine Millionen eV. H.E.S.S. weist sehr hochenergetische Gammastrahlung mit Energien von bis zu tausend Milliarden eV (Teraelektronenvolt, TeV) nach. Diese Strahlen sind sehr selten: selbst von einer relativ starken Quelle trifft nur etwa ein Photon pro Monat und Quadratmeter auf die Erdatmosphäre auf.
Quasare, aktive Galaxien: Praktisch alle Galaxien scheinen in ihrem Zentrum ein sehr massereiches schwarzes Loch zu beherbergen, mit millionen- bis milliardenfacher Masse der Sonne. In manchen Galaxien wird es "aktiv", indem es Gas aus seiner Umgebung aufsaugt und einen Teil davon als Plasma (bestehend aus Protonen, Elektronen und elektromagnetischen Wellen) mit Geschwindigkeiten sehr nahe der Lichtgeschwindigkeit wieder ausstößt. Diese "relativistischen" Ausströmungen bilden jeweils einen engen Strahl, wie aus einer Düse, und können sich in manchen Fällen über die hundertfache Ausdehnung der Galaxie erstrecken. Sofern der Plasma-Strahl in etwa zur Erde zeigt, sehen wir die vom Plasma ausgesandte Strahlung hochgradig verstärkt. Solche Objekte werden als "Blazare" bezeichnet. Ihre Strahlung erstreckt sich vom Radiobereich bis zu TeV-Energien und ändert sich stark im Laufe der Zeit, sowohl in ihrer Intensität als auch in ihrer Energieverteilung. Die zwei von H.E.S.S. gefundenen Objekte sind genau von diesem Typ.
Das Spektrum des Blazars 1ES 1101-232. Die beobachtete Verteilung der Energien (das Spektrum) der ankommenden Gammastrahlung ist jeweils rot dargestellt. Blau dargestellt ist die ursprüngliche Verteilung an der Quelle, die man durch Korrektur der am Hintergrund-Licht erlittenen Absorption errechnet. Bei Annahme hoher Intensität des Hintergrund-Lichts (linker und mittlerer Teil des Bilds) ergibt sich ein Quell-Spektrum, das dramatisch von dem abweicht, was man als typische Verteilung von solchen Objekten annehmen kann. Für niedrige Intensität des Hintergrund-Lichts (rechts im Bild) wird das resultierende Quell-Spektrum kompatibel mit den normalen Eigenschaften dieser Art von Quasaren. (größeres Bild) (PDF-Version)
Kontakt:
Dr. Luigi Costamante &
Dr. Felix Aharonian
Max-Planck-Institut für Kernphysik
Saupfercheckweg 1
69117 Heidelberg, Deutschland
Tel +49 6221 516470 &
+49 6221 516485
Dr. Michael Punch
AstroParticule et Cosmologie
Collège de France
11 place Marcelin Berthelot
75231 Paris Cedex 05, Frankreich
Tel +33 1 44271545
Prof. Stefan Wagner
ZAH, Landessternwarte
Königstuhl
69117 Heidelberg, Deutschland
Tel +49 6221 541 712
H.E.S.S.-Homepage
Projekt-Chronologie
Die H.E.S.S.-Teleskope
Broschüre über H.E.S.S.
(PPT mit hoher Auflösung)
Eine schematische Darstellung der Auswirkung des extragalaktischen Hintergrund-Lichts (EBL) auf die Gammastrahlung von einem fernen Quasar, bevor diese die Erde erreicht. Die Gammastrahlen werden zum Teil absorbiert auf Grund von Kollisionen mit den EBL-Photonen, die von allen Sternen und Galaxien im Universum kommen. Wenn die Dichte der EBL-Photonen hoch ist (Diagramm oben rechts), ist die Absorption stark und die höchstenergetischen Gammastrahlen gehen verloren. Das gemessene Spektrum wird gegenüber dem ursprünglichen Spektrum stark verändert. Falls die Dichte gering ist (Diagramm rechts unten), ist die Absorption geringer und das Spektrum ändert sich nicht so stark. (größeres Bild) (PDF-Version)
Das H.E.S.S.-Team:
Die H.E.S.S.- (High Energy Stereoscopic System) Kollaboration besteht aus
Wissenschaftlern aus Instituten und Universitäten aus Deutschland, Frankreich,
Großbritannien,
Irland, der Tschechischen Republik, Armenien, Südafrika und Namibia.
Der Detektor: Die Ergebnisse wurden mit dem stereoskopischen Teleskopsystem H.E.S.S. erhalten, welches in Namibia installiert ist. Das Teleskop-System besteht aus 4 gekoppelten Spiegel-Teleskopen mit je 13 m Durchmesser, und ist das zur Zeit empfindlichste Instrument zum Nachweis von sehr hochenergetischer Gammastrahlung. Diese wird beim Eintritt in die Atmosphäre absorbiert, wobei ein Teilchenschauer entsteht, der wiederum einen sehr kurzen, bläulichen Lichtblitz emittiert (sogenanntes Tscherenkow-Licht mit einer Dauer von nur wenigen Milliardstel Sekunden). Die Teleskope fokussieren mit ihren großen Spiegeln diese sehr schwachen Lichtblitze auf ihre hochempfindlichen Kameras. Aus den Bildern eines jeden Schauers, lässt sich die Richtung und die Energie der einzelnen Gamma-Quanten rekonstruieren. Durch Überlagerung der Richtungen am Himmel werden die Bilder von astronomischen Objekten im Licht der TeV-Gammastrahlung erzeugt.
Das H.E.S.S.-Teleskopsystem wurde über mehrere Jahre von mehr als 100 Wissenschaftlern und Technikern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, der Tschechischen Republik, Armenien, Südafrika und dem Gastgeberland Namibia entwickelt. Das Instrument wurde im September 2004 vom Premierminister Namibias, Theo-Ben Guirab, eingeweiht. Bereits die ersten Daten führten zu einer Reihe von wichtigen Ergebnissen und Entdeckungen, wie zum Beispiel das erste astronomische Bild einer Supernova-Schockwelle im Licht der hochenergetischen Gammastrahlung.
Zukunft: Die bei H.E.S.S. beteiligten Forscher sind dabei, das Teleskop-System weiter auszubauen und zu verbessern. Der Bau eines zentralen Teleskops — unglaubliche 30 m im Durchmesser — ist im Gange. Neue Partnerländer, wie etwa Polen, nehmen daran teil. Diese weitere Ausbaustufe, als H.E.S.S.-II bezeichnet, wird noch empfindlicher und wird einen noch weiteren Bereich an Gamma-Energien überdecken. Das H.E.S.S.-Team wird damit Gammastrahlung von noch ferneren Quasaren sehen können.