Die Entdeckung - In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature berichtet die internationale H.E.S.S.-Kollaboration über die Entdeckung der Emission von Gamma-Strahlung aus einem Komplex von Gaswolken nahe dem Zentrum unserer Milchstraße. Diese gigantischen Gaswolken bestehen aus Wasserstoff und haben eine Masse, die etwa 50 Millionen mal so groß ist wie die unserer Sonne. Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der H.E.S.S.-Teleskope ist es nun erstmalig gelungen, hochenergetische Gamma-Strahlung von diesen Gaswolken nachzuweisen, und deren Dichte und Energie zu messen.
Die Schlüsselfrage - Ein wichtiges Element zum Verständnis des Ursprungs und der Natur der kosmischen Strahlung ist deren räumliche Verteilung. Ist die kosmische Strahlung in unserer gesamten Galaxie gleichmäßig verteilt, oder variiert deren Dichte und Energiespektrum innerhalb der Galaxie (zum Beispiel in der Nähe eines kosmischen Teilchenbeschleunigers)? Direkte Messungen der kosmischen Strahlung sind nur innerhalb unseres Sonnensystems möglich, welches sich in etwa 25000 Lichtjahren Entfernung vom Galaktischen Zentrum befindet. Ein Trick erlaubt es jedoch den Astrophysikern die kosmische Strahlung auch an anderen Orten in der Galaxie zu untersuchen, durch die Beobachtung von Gamma-Strahlung, welche bei der Kollision von kosmischer Strahlung mit den Molekülwolken des interstellaren Gases entsteht.
Kosmische Strahlung, Gamma-Strahlung und das Galaktische Zentrum - Der innere Teil unserer Galaxie ist ein komplexer Zoo mit Beispielen aller Klassen von exotischen Objekten, die Astronomen kennen. Er enthält unter anderem ein supermassives Schwarzes Loch, überreste von Supernova-Explosionen und gigantische Wolken von Wasserstoffgas mit einer Masse, die etwa 50 Millionen mal so groß ist wie die unserer Sonne. Gelingt es nun Gamma-Strahlung von diesen Gaswolken nachzuweisen, so ermöglicht dies den Wissenschaftlern die Dichte und das Energiespektrum der kosmischen Strahlung am Ort der Wolken abzuleiten.
Bei relativ niedrigen Energien von etwa 100 Millionen Elektronenvolt wurde diese Technik vom EGRET-Satellitenexperiment genutzt, um die kosmische Strahlung in unserer Galaxie abzubilden . Bei sehr hohen Energien - der wahren Domäne der kosmischen Beschleuniger - war bisher noch kein Instrument empfindlich genug, um das Leuchten der interstellaren Gaswolken im Licht der Gamma-Strahlung zu "sehen". Mit den H.E.S.S.-Teleskopen konnte dieses Leuchten zum ersten Mal nachgewiesen werden.
Die überraschung - Die H.E.S.S.-Daten zeigen, dass die Dichte der kosmischen Strahlung im Zentrum unserer Galaxie um einen signifikanten Faktor größer ist als in unserem Sonnensystem. Außerdem ist der Unterschied umso größer, je höher die Energie der Strahlung ist. Diese beiden Beobachtungen lassen darauf schließen, dass sich in der Nähe der Gaswolken ein "junger" Beschleuniger kosmischer Strahlung befindet, der vor etwa 10 000 Jahren aktiv war. Mögliche Kandidaten für diesen Beschleuniger sind eine gigantische Sternexplosion nahe dem Galaktischen Zentrum, oder das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße. Jim Hinton, einer der an der Entdeckung beteiligten Wissenschaftler, folgert: "Dies ist ein erster Schritt. Wir werden natürlich weiterhin unsere Teleskope auf das Galaktische Zentrum ausrichten, um den genauen Ort des Beschleunigers zu identifizieren. Ich bin mir sicher, dass weitere aufregende Entdeckungen vor uns liegen."