Gamma-Strahlung von interstellaren Gaswolken entlarvt kosmischen Teilchenbeschleuniger im galaktischen Zentrum

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In der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature haben die Astrophysiker der internationalen H.E.S.S.-Kollaboration die Entdeckung sehr hochenergetischer Gamma-Strahlung aus Richtung riesiger Gaswolken im Zentrum unserer Galaxie bekannt gegeben. Die Emission solcher hochenergetischer Gamma-Strahlung wird bei der Kollision von kosmischer Strahlung (hochrelativistische Teilchen, welche unsere gesamte Galaxie durchdringen) mit interstellaren Gaswolken erwartet. Mit den H.E.S.S.-Teleskopen ist es nun erstmalig gelungen, diesen Effekt bei sehr hohen Energien nachzuweisen. Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der H.E.S.S.-Teleskope konnte gezeigt werden, dass die kosmische Strahlung im Zentrum der Milchstraße nicht nur eine höhere Energie, sondern auch eine höhere Dichte hat als in unserem Sonnensystem. Mögliche Szenarien für die Erklärung dieser Entdeckung schließen sowohl eine historische Supernova-Explosion ein, als auch ein massiver Ausbruch an Teilchenbeschleunigung durch das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie.

Gamma-Strahlung: Gamma-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung, wie auch sichtbares Licht oder Röntgenstrahlung, jedoch mit einer viel höheren Energie. Sichtbares Licht hat eine Energie von etwa einem Elektronenvolt (1 eV), einer von Physikern benutzten Einheit. Röntgenstrahlen haben etwa eintausend bis eine Millionen eV. H.E.S.S. weist sehr hochenergetische Gamma-Strahlung mit Energien von bis zu tausend Milliarden eV (Teraelektronenvolt, TeV) nach. Diese Strahlen sind sehr selten: selbst von einer relativ starken Quelle trifft nur etwa ein Photon pro Monat und Quadratmeter auf die Erdatmosphäre auf.

Kosmische Strahlung: Kosmische Strahlen sind hochenergetische Teilchen, welche den Weltraum durchdringen. Sie bombardieren beständig die Erdatmosphäre aus allen Richtungen und haben weit höhere Energien als man sie mit erdgebundenen Teilchen- beschleunigern erreichen kann. Seit ihrer Entdeckung durch Victor Hess im Jahre 1912, und trotz eines Jahrhunderts intensiver Forschung ist ihr Ursprung noch immer nicht vollständig geklärt. Eines der ersten wichtigen Ergebnisse des H.E.S.S.-Experimentes war die Identifizierung von Schockwellen einer Supernova-Explosion als Ort intensiver Teilchenbeschleunigung (Nature 432, p75) .

Cartoon

Prinzip der Entstehung von Gamma-Strahlung durch Kollisionen in Gaswolken. (größeres Bild)

Kontakt:


Dr. Jim Hinton
Max-Planck-Institut für Kernphysik
Saupfercheckweg 1
69117 Heidelberg
Tel +49 6221 516279
und
Landessternwarte
Königstuhl 12
Universität Heidelberg
Tel +49 6221 541737


Prof. Werner Hofmann
Max-Planck-Institut für Kernphysik
Saupfercheckweg 1
69117 Heidelberg
Tel +49 6221 516330

Die Entdeckung - In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature berichtet die internationale H.E.S.S.-Kollaboration über die Entdeckung der Emission von Gamma-Strahlung aus einem Komplex von Gaswolken nahe dem Zentrum unserer Milchstraße. Diese gigantischen Gaswolken bestehen aus Wasserstoff und haben eine Masse, die etwa 50 Millionen mal so groß ist wie die unserer Sonne. Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der H.E.S.S.-Teleskope ist es nun erstmalig gelungen, hochenergetische Gamma-Strahlung von diesen Gaswolken nachzuweisen, und deren Dichte und Energie zu messen.

Die Schlüsselfrage - Ein wichtiges Element zum Verständnis des Ursprungs und der Natur der kosmischen Strahlung ist deren räumliche Verteilung. Ist die kosmische Strahlung in unserer gesamten Galaxie gleichmäßig verteilt, oder variiert deren Dichte und Energiespektrum innerhalb der Galaxie (zum Beispiel in der Nähe eines kosmischen Teilchenbeschleunigers)? Direkte Messungen der kosmischen Strahlung sind nur innerhalb unseres Sonnensystems möglich, welches sich in etwa 25000 Lichtjahren Entfernung vom Galaktischen Zentrum befindet. Ein Trick erlaubt es jedoch den Astrophysikern die kosmische Strahlung auch an anderen Orten in der Galaxie zu untersuchen, durch die Beobachtung von Gamma-Strahlung, welche bei der Kollision von kosmischer Strahlung mit den Molekülwolken des interstellaren Gases entsteht.

Kosmische Strahlung, Gamma-Strahlung und das Galaktische Zentrum - Der innere Teil unserer Galaxie ist ein komplexer Zoo mit Beispielen aller Klassen von exotischen Objekten, die Astronomen kennen. Er enthält unter anderem ein supermassives Schwarzes Loch, überreste von Supernova-Explosionen und gigantische Wolken von Wasserstoffgas mit einer Masse, die etwa 50 Millionen mal so groß ist wie die unserer Sonne. Gelingt es nun Gamma-Strahlung von diesen Gaswolken nachzuweisen, so ermöglicht dies den Wissenschaftlern die Dichte und das Energiespektrum der kosmischen Strahlung am Ort der Wolken abzuleiten.

Bei relativ niedrigen Energien von etwa 100 Millionen Elektronenvolt wurde diese Technik vom EGRET-Satellitenexperiment genutzt, um die kosmische Strahlung in unserer Galaxie abzubilden . Bei sehr hohen Energien - der wahren Domäne der kosmischen Beschleuniger - war bisher noch kein Instrument empfindlich genug, um das Leuchten der interstellaren Gaswolken im Licht der Gamma-Strahlung zu "sehen". Mit den H.E.S.S.-Teleskopen konnte dieses Leuchten zum ersten Mal nachgewiesen werden.

Die überraschung - Die H.E.S.S.-Daten zeigen, dass die Dichte der kosmischen Strahlung im Zentrum unserer Galaxie um einen signifikanten Faktor größer ist als in unserem Sonnensystem. Außerdem ist der Unterschied umso größer, je höher die Energie der Strahlung ist. Diese beiden Beobachtungen lassen darauf schließen, dass sich in der Nähe der Gaswolken ein "junger" Beschleuniger kosmischer Strahlung befindet, der vor etwa 10 000 Jahren aktiv war. Mögliche Kandidaten für diesen Beschleuniger sind eine gigantische Sternexplosion nahe dem Galaktischen Zentrum, oder das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße. Jim Hinton, einer der an der Entdeckung beteiligten Wissenschaftler, folgert: "Dies ist ein erster Schritt. Wir werden natürlich weiterhin unsere Teleskope auf das Galaktische Zentrum ausrichten, um den genauen Ort des Beschleunigers zu identifizieren. Ich bin mir sicher, dass weitere aufregende Entdeckungen vor uns liegen."

HESS-Ansicht des galaktischen Zentrums


Die Region um das galaktische Zentrum aufgenommen mit H.E.S.S. Oben: Bild im Licht der Gamma-Strahlen von der Region um das Galaktische Zentrum. Zwei Quellen dominieren: HESS J1745-290, eine mysteriöse Quelle genau im Zentrum der Galaxie, und im Abstand von etwa einem Grad der Supernovaüberrest G0.9+0.1 .Unten: Bild der gleichen Region, jedoch nach Subtraktion der beiden starken Quellen, wodurch Emission mit einer viel schwächeren Intensität sichtbar wird (die Farbskala ist entsprechend angepasst). Die ausgedehnte Emission von Gamma-Strahlung entlang der Galaktischen Ebene ist deutlich erkennbar, ebenso wie eine weitere mysteriöse Quelle: HESS J1745-303. Die gestrichelte Linie zeigt die Galaktische Ebene an, die weißen Ringe die Position der subtrahierten Quellen (größeres Bild).

Über H.E.S.S.


Das H.E.S.S.-Team - Die H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) Kollaboration besteht aus Wissenschaftlern aus Instituten und Universitäten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, der Tschechischen Republik, Armenien, Südafrika und Namibia.

Der Detektor - Die Ergebnisse wurden mit dem stereoskopischen Teleskopsystem H.E.S.S. erhalten, welches in Namibia installiert ist. Das Teleskop-System besteht aus 4 gekoppelten Spiegel-Teleskopen mit je 13 m Durchmesser, und ist das zur Zeit empfindlichste Instrument zum Nachweis von sehr hochenergetischer Gamma-Strahlung. Diese wird beim Eintritt in die Atmosphäre absorbiert, wobei ein Teilchenschauer entsteht, der wiederum einen sehr kurzen, bläulichen Lichtblitz emittiert (sogenanntes Tscherenkow-Licht mit einer Dauer von nur wenigen Milliardstel Sekunden). Die Teleskope fokussieren mit ihren großen Spiegeln diese sehr schwachen Lichtblitze auf ihre hochempfindlichen Kameras. Aus den Bildern eines jeden Schauers, lässt sich die Richtung und die Energie der einzelnen Gamma-Quanten rekonstruieren. Durch überlagerung der Richtungen am Himmel werden die Bilder von astronomischen Objekten im Licht der TeV-Gamma-Strahlung erzeugt.

Das H.E.S.S.-Teleskopsystem wurde über mehrere Jahre von mehr als 100 Wissenschaftlern und Technikern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, der Tschechischen Republik, Armenien, Südafrika und dem Gastgeberland Namibia entwickelt. Das Instrument wurde im September 2004 von dem Namibischen Premierminister Theo-Ben Guirab eingeweiht. Bereits die ersten Daten führten zu einer Reihe von wichtigen Ergebnissen und Entdeckungen, wie zum Beispiel das erste astronomische Bild einer Supernova-Schockwelle im Licht der hochenergetischen Gamma-Strahlung.

Bild der H.E.S.S.-Teleskope