HESS Telescopes
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Geheimnisvolle kompakte Quelle hochenergetischer Gammastrahlung in unserer Galaxis entdeckt
 
In einem kürzlich in Science Magazine publizierten Artikel berichten die Wissenschaftler des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) über die Entdeckung einer neuartigen Quelle hochenergetischer Gammastrahlung in unserer Milchstraße (Abbildung 1, Abbildung 2). Solche Gammastrahlung wird in der extremen Umgebung kosmischer Teilchenbeschleuniger - wie zum Beispiel in Supernova-Explosionen - erzeugt und bietet einzigartige Einblicke in die hochenergetischen Prozesse, die sich in unserer Milchstraße abspielen. Die Gamma-Astronomie bei höchsten Energien ist ein ganz junges Forschungsgebiet. Mit dem H.E.S.S. Instrument konnte zum ersten Mal eine empfindliche Durchmusterung des zentralen Teils unserer Milchstraße durchgeführt werden; dabei wurden viele bis dahin unbekannte Gamma-Quellen entdeckt. Bei diesem speziellen Objekt handelt es sich vermutlich um einen "Mikroquasar", der aus zwei Sternen in einem engen Orbit umeinander besteht (Abbildung 3). Einer dieser Sterne ist ein relativ normaler Stern, der andere aber hat seinen gesamten Energievorrat verbrannt und ist dann zu einem kompakten Kern kollabiert. Je nach Art des Sterns ist aus dem Kollaps entweder ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch hervorgegangen. Durch das extreme Schwerkraftfeld dieses Objekts wird Materie von dem Begleitstern abgesaugt, und fällt in spiralförmigen Bahnen auf den kompakten Kern. Manchmal ist der Materiefluss so groß, dass der kompakte Kern damit "nicht fertig wird" und das Material wieder ausstößt, in Form eines kollimierten Materiestrahls, der sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Das Ganze ähnelt einer Miniaturausgabe einer Aktiven Galaxie - eines Quasars - nur dass das zentrale Objekt nur einige Sonnenmassen wiegt, statt Milliarden Sonnenmassen, und dass es in unserer Galaxie angesiedelt ist, statt viele Millionen Lichtjahre entfernt; man nennt es deshalb "Mikroquasar". Ein Mikroquasar erlaubt es, diese komplexe Phänomene "ganz aus der Nähe"' zu studieren. Nur eine Handvoll solcher Objekte kennt man in unserer Galaxis; eines davon, LS5039 genannt, wurde jetzt von dem H.E.S.S.-Wissenschaftlerteam als Quelle hochenergetischer Gammastrahlung entdeckt (Abbildung 1, Abbildung 2). Genau genommen weiß man nicht wirklich, um was für eine Art Stern es sich genau handelt. Einige seiner Eigenschaften lassen den kompakten Kern wie einen Neutronenstern erscheinen, andere deuten eher auf ein schwarzes Loch hin. Dazu kommt, dass sich der ausgestoßene Materiestrahl "langsam" bewegt, mit nur 20% der Lichtgeschwindigkeit  - sehr schnell für menschliche Begriffe, aber für einen Mikroquasar recht langsam. Unklar ist auch, wie die Gammastrahlung eigentlich entsteht. Einer der H.E.S.S. Wissenschaftler, Dr. Guillaume Dubus von der Ecole Polytechnique stellt klar: "Eigentlich sollten wir dieses Objekt gar nicht sehen können. Die Strahlungsfelder in der Umgebung des kompakten Kerns sind so stark, dass jede Gammastrahlung sofort wieder absorbiert wird!". Dr. Paula Chadwick von der Universität  Durham fügt hinzu: "Es ist fantastisch, eine ganz neue Art von Gammastrahlungs-Quelle zu finden. Weitere Untersuchungen werden erforderlich sein, um zu verstehen, was in diesem Objekt wirklich vorgeht." Das H.E.S.S.-Instrument mit seinem großen Gesichtsfeld - entsprechend der zehnfachen Größe des Mondes - ist ideal geeignet, um neue Quellen kosmischer Gammastrahlung zu entdecken, da man damit den Himmel absuchen und bisher unbekannte Arten von Gammaquellen entdecken kann. Dr. Stefan Funk vom Max-Planck-Institut für Kernphysik meint dazu "Die Daten aus der Himmelsdurchmusterung, in denen LS5039 entdeckt wurde, sind sicher noch für weitere Überraschungen gut!"

Diese Ergebnisse wurden mit den Teleskopen des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) in Namibia, im Südwesten Afrikas, erzielt. Dieses System aus vier Teleskopen mit 13 m Durchmesser ist das derzeit empfindlichste Nachweisinstrument für hochenergetische Gammastrahlen, Strahlung, deren Energie eine Million Million mal energiereicher ist als normales Licht. Diese hochenergetischen Gammastrahlen sind schwer nachzuweisen; selbst aus einer starke Quelle trifft nur etwa ein Strahlungsquant pro Monat und Quadratmeter auf unsere Atmosphäre. Die Strahlungsquanten werden in der Erdatmosphäre absorbiert; ihr direkter Nachweis würde daher ein riesiges Satelliteninstrument erfordern. Die H.E.S.S.-Teleskope benutzen einen Trick, um dieses Problem zu umgehen: sie nutzen die Atmospäre als Nachweismedium. Wenn Gammaquanten absorbiert werden, senden sie kurze Blitze des sogenannten Cherenkov-Lichts aus - ein blaues Leuchten, das nur einige milliardstel Sekunden andauert. Dieses Leuchten wird mit mit den großen Spiegeln und empfindlichen Photosensoren der H.E.S.S.-Teleskopen aufgefangen; die Wissenschaftler erzeugen aus diesen Daten dann Bilder astronomischer Objekte im "Licht" hochenergetischer Gammastrahlen.

Die H.E.S.S.-Teleskope wurden über mehrere Jahre hinweg von einem internationalen Team aus über 100 Wissenschaftlern und Ingenieuren aus Deutschland, Frankreich, England, Irland, der Tschechei, Armenien, Südafrika und Namibia erbaut und in Betrieb genommen. Im September 2004 wurden die Teleskope von dem Namibischen Premierminister Theo-Ben Gurirab eingeweiht. Schon mit den ersten Daten konnten eine Reihe von wichtigen Entdeckungen gemacht werden, darunter das erste astronomische Bild einer Supernova-Schockwelle bei allerhöchsten Energien.


Informationen für Redakteure

Die H.E.S.S. Kollaboration
Das High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) Team besteht aus Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Tschechien, Irland, Armenien, Südafrika und Namibia.

Das H.E.S.S. Teleskopsystem

Während der letzten Jahre hat die H.E.S.S. Kollaboration ein System von vier Teleskopen im Khomas Hochland in Namibia gebaut, um hochenergetische Gammastrahlung von Beschleunigern der kosmischen Strahlung studieren zu können. Diese Cherenkov Teleskope detektieren das Licht, das entsteht, wenn hochenergetische kosmische Strahlung auf die Erdatmosphäre trifft und dort absorbiert wird. Die H.E.S.S. Teleskope verfügen jeweils über eine Spiegelfläche von 107 Quadratmetern und sind mit 960 hochsensitiven und extrem schnellen Photo-Detektor Kameras ausgerüstet. Diese Kameras sind in den Brennebenen der Teleskope angebracht. Der Aufbau des Systems begann 2001, das 4. Teleskop wurde im Dezember 2003 in Betrieb genommen. Das H.E.S.S. System ist deutlich empfindlicher als alle vorherigen Cherenkov Teleskope.
 


Kontakte

Dr. Guillaume Dubus
Laboratoire Leprince-Ringuet CNRS/IN2P3
Ecole Polytechnique
91128 Palaiseau
FRANCE
Tel +33 1 69 33 31 47 (LLR Paris), +33 1 44 32 80 75 (IAP Paris)

Dr. Mathieu de Naurois
LPNHE - Laboratoire de Physique Nucléaire et de Hautes Energies
IN2P3 - CNRS - Universités Paris VI et Paris VII
4 Place Jussieu
Tour 33 - Rez de chaussée
75252 Paris Cedex 05
FRANCE
Tel +33 1 44 27 23 24

Dr. Paula Chadwick
Department of Physics
Durham University
Science Laboratories
South Road
Durham DH1 3LE
UK
Tel +44 191 334 3560

Dr. Stefan Funk
Max-Planck-Institut für Kernphysik
Postf. 103980
69029 Heidelberg
Germany
Tel +49 6221 516 274


Abbildungen



(hohe Auflösung)

Abbildung 1. Himmelskarte eines Bereichs der Galaxis im Gammastrahlen-Licht, mit der neuartigen Gamma-Strahlungsquelle LS 5039, auch als HESS J1826-148 bezeichnet. Die Farbskala gibt die Intensität der Gammastrahlung an. Der grüne Stern zeigt die Position von LS5039, wie sie mit Radioteleskopen bestimmt wurde, und die weiße Ellipse das Zentrum der Gammastrahlung. In der oberen linken Ecke des Bildes ist eine weitere, von H.E.S.S. entdeckte Quelle hochenergetischer Gammastrahlung sichtbar, das Objekt HESS J1825-137.



(hohe Auflösung)

Abbildung 2. Ein größerer Ausschnitt der von H.E.S.S. erzeugten Karte des Gamma-Himmels. LS5039 wurde im Rahmen einer ersten Durchmusterung der galaktischen Ebene entdeckt. Weitere Ergebnisse dieser ersten empfindlichen Durchmusterung bei höchsten Gamma-Energien wurden in Science Magazine publiziert, siehe auch die entsprechende Pressemitteilung.



(hohe Auflösung)

Abbildung 3. Computersimulation des Mikroquasars LS5039 für ein Szenario, in dem die Gammastrahlung in den "Jets" des Mikroquasars erzeugt wird. Der kompakte Kern zieht Materie von der Oberfläche des großen Begleitsterns ab; unter dem Einfluss des starken Schwerkraftfelds  fällt diese Materie in Spiralen auf den Kern ein. Ein Teil dieses Materials wird in Form von zwei Materiestrahlen ("Jets") wieder ausgestossen; die Jets bewegen sich mit 20% der Lichtgeschwindigkeit. Das Bild wurde mit Hilfe von Software von Rob Hynes (LSU) erzeugt. Eine andere Illustration eines Mikroquasars findet sich hier.