In der letzten Ausgabe der Zeitschrift "Astronomy and Astrophysics" (link zum PDF) berichtet die H.E.S.S.-Forschergruppe über die Entdeckung zyklisch pulsierender Gammastrahlung aus dem Binärsystem LS 5039. Dieses Binärsystem (siehe Abbildung) besteht aus einem blauen Riesenstern, den ein kompakter Begleiter — ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch — umkreist. Viele Sterne in unserer Galaxis bilden Doppelsternsysteme; Einzelsterne wie unsere Sonne sind eher eine Ausnahme. Aber selten kommen sich Doppelsterne so nahe wie in LS 5039: der Abstand der beiden Sterne beträgt nur einen Bruchteil des Abstands zwischen Erde und Sonne und der kleinste Abstand auf der exzentrischen Bahn des Begleiters entspricht der doppelten Größe des blauen Sterns. Eine Umkreisung des Riesensterns dauert nur knapp vier Tage.
LS 5039 wurde 2005 als Quelle hochenergetischer Gammastrahlung entdeckt; das H.E.S.S.-Team hatte darüber in der Zeitschrift "Science" berichtet. In neueren umfangreichen Beobachtungen haben die H.E.S.S.-Astrophysiker jetzt eine zyklische Veränderung der Intensität der Gammastrahlung entlang der Bahn des Begleitsterns nachgewiesen; LS 5039 ist damit die erste "Uhr" am Gammastrahlen-Himmel.
Die Gammastrahlung ist am stärksten, wenn der kompakte Begleitstern von der Erde aus gesehen "vor" dem blauen Stern steht, und am schwächsten, wenn er dahinter steht. Da die Bahnebene aber gegen die Sichtlinie gekippt ist, kann es sich dabei nicht um einen reinen Abschattungseffekt handeln. "Dazu kommt, dass sich auch das Spektrum der Gammastrahlen entlang des Orbits ändert: "Vor" dem blauen Stern ist die Strahlung sehr viel "härter", das heißt energetischer", bemerkt Gavin Rowell vom MPI für Kernphysik.
Die beobachtete Gammastrahlung entsteht vermutlich, wenn der Sternenwind des blauen Riesensterns auf den Begleitstern trifft. Dieser Sternenwind entspricht unserem "Sonnenwind", der zum Beispiel die Nordlichter verursacht, ist aber wegen der heißen Atmosphäre des blauen Sterns sehr viel intensiver. In der turbulenten Kollisionszone können Elementarteilchen auf höchste Energien beschleunigt werden, die ihrerseits dann die beobachteten Gamma-Quanten abstrahlen. Wenn der Begleitstern entlang seiner exzentrischen Bahn immer tiefer in den Sternenwind und in das intensive Licht des blauen Sterns eintaucht, ändern sich die Arbeitsbedingungen für den kosmischen Beschleuniger und damit auch Intensität und Energiespektrum der Gammastrahlung. Der Begleitstern dient quasi als Messinstrument für die extremen Prozesse, die sich in der Nähe des blauen Sterns abspielen.
Zur Modulation der Gammastrahlung trägt auch noch ein anderer geometrischer Effekt bei: Seit Einsteins berühmter Gleichung (E=mc²) wissen wir, dass Strahlung und Materie ineinander umgewandelt werden können. Genau dies passiert, wenn ein Gamma-Quant auf Licht des blauen Sterns trifft: ein Elektron-Positron-Paar entsteht. Das Sternenlicht stellt daher eine Art Nebel dar, durch den die Gammastrahlung hindurch muss, wenn der Begleitstern hinter dem blauen Riesenstern steht. "Diese periodische Abschwächung der Gammastrahlung ist ein schönes Beispiel für die Erzeugung von Materie durch Strahlung, aber andererseits macht der Effekt es schwieriger für uns, den Teilchenbeschleuniger direkt zu sehen", so Guillaume Dubus vom Astrophysikalischen Laboratorium in Grenoble, LAOG.
Die vom H.E.S.S.-Team beobachtete Modulation der Strahlung ist daher vermutlich eine Kombination zweier Effekte, der Änderung der Bedingungen für Teilchenbeschleunigung entlang der Bahn des Begleitsterns, und dem "Nebel", den das intensive Sternenlicht für die Gammastrahlung darstellt. "Zum ersten Mal in der Geschichte der Gamma-Astronomie bei höchsten Energien können wir mit einem kosmischen Beschleuniger quasi experimentieren und sehen, wie er auf die sich periodisch verändernde Umgebung reagiert", sagt Mathieu de Naurois vom Institut für Kern- und Hochenergiephysik LPNHE in Paris.
Diese neue Entdeckung und die genauen Messungen des H.E.S.S.-Teams helfen, die Umgebung von stellaren schwarzen Löchern und Neutronensternen sowie die Mechanismen der kosmischen Teilchenbeschleuniger besser zu verstehen.